laut.de-Kritik

Die Thüringer-Electrorocker in der Sackgasse.

Review von

Zeit ist ein sehr relatives Gut. Das zeigt sich in der Musik ein ums andere Mal. Während sich manche Bands für gefühlte Jahrzehnte in Hinterzimmern und Studios verkriechen, bis sie endlich einmal mit einem Album an die Öffentlichkeit treten, arbeiten andere Musiker wie im Akkord.

In letztgenannte Kategorie fallen Northern Lite, die neben unzähligen Maxi-Singles mit "Letters & Signs Part One" das insgesamt sechste Album ihrer zwölfjährigen Bandgeschichte veröffentlichen. Ihrer Mixtur aus Electro und Rock bleiben sie auch mit den zehn neuen Songs treu.

Fans dürfen einmal mehr elektronisch programmierte Beats, knarzende Gitarrenriffs und den betont gleichgültigen Gesang von Andreas Kubat erwarten. Als "gleichförmigen Kompositionsprozess" hat diesen Höreindruck Kollege Schuh beim vorletzten Album "Unisex" charakterisiert.

Treffend beschrieben ist das auch heute noch, denn Grundlegendes hat sich seit 2006 beim Sound nicht getan. Kubat ist noch immer der Einzelkämpfer, besorgt alle Kompositionen und schreibt die Lyrics.

Kann man einen Großteil der Songs zumindest als routiniert, wenn auch nicht sonderlich spannend und schon gar nicht originell charakterisieren, so fällt einem dies bei den Texten schwer. All die mühsam zusammen gereimten Strophen machen den Eindruck, dass hier ein paar inhaltslose Englisch-Phrasen kombiniert werden. Das klingt dann oftmals so: "There's A Flame That Burns Inside / Every Little Doubt We Hide / It Could Show Before We Go / But Do You Really Wanna Know?".

Der einzige Song, der nicht aus Kubats Feder stammt, ist ausgerechnet "The Sick Rose". Popkulturell sind dem britischen Dichter William Blake bereits einige Huldigungen zu Teil geworden. Am bekanntesten ist vielleicht "A Chemical Wedding", das 1998 erschienene Soloalbum von Iron Maiden-Sänger Bruce Dickinson. Tangerine Dream, The Doors, The Verve und Coil sind dem Einfluss von Blake genauso erlegen, wie jetzt Northern Lite. Die Erfurter haben sich mit "The Sick Rose" eines der bekanntesten Gedichte von Blake zur Vertonung ausgesucht und damit gleichzeitig die Messlatte deutlich zu hoch gehängt.

Text und Musik stehen in keinerlei Spannungsverhältnis zueinander. Die Vorlagen, die Blake mit "The Sick Rose" liefert, werden von den Thüringer Musikbürokraten wie eine Aktennotiz behandelt. Musikalisch lehnt sich der Track mit seinem Oktavbass an Nine Inch Nails Clubhit "Closer" an. Aber auch das bleibt lediglich ein ferner, nie erreichter Referenzpunkt.

Wer Blakes Gedicht "The Sick Rose" einmal in Töne umgesetzt erleben will, dem sei das Stück "Love's Secret Domain" der britischen Experimentalband Coil empfohlen. Das ist dann auch der positivste Rausgeher, den man für die neue Northern Lite-CD finden kann.

Trackliste

  1. 1. Letters & Signs
  2. 2. The Sick Rose
  3. 3. The Land Of Dreams
  4. 4. Gimme Your Number
  5. 5. Warrior Song
  6. 6. Why Do We Stay
  7. 7. Bill Gates
  8. 8. Flame
  9. 9. Hole
  10. 10. All For Myself

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2 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Hallo Kritiker,

    sehr erschrocken habe ich Deine Kritik gelesen und sie als ungerechtfertigt empfunden. Northern Lite bleiben sich treu und ich denke, dass gerade das von vielen Fans geschätzt wird. Sicherlich könnte auch ein Herr Kubat einen Sex-und Nutten-und Party-Song schreiben, aber er tuts eben nicht. Ich finde die Texte alles andere als oberflächlich, nur die Musik bleibt natürlich Geschmackssache. Man braucht sich nur mal ein paar Interviews mit NL durchzulesen um zu erkennen, dass A. Kubat sehr intelligent ist und sicherlich niemals Schmububu-Texte schreiben würde. Für mich hört sich die Kritik vorschnell an. Da hat sich jemand nicht wirklich mit den Texten beschäftigt.

  • Vor 14 Jahren

    Boah, so eine schlechte Kritik habe ich lange nicht gelesen. Der Autor sollte sich mal mehr mit dem Album auseinandersetzen und nicht die ganze Zeit nur auf den zweiten Track "The Sick Rose" rumhacken. Oder "Flame".
    Fakt ist, dass Northern Lite tatsächlich noch nie großen Wert auf die Texte gelegt hat, sondern sich mehr auf die Melodien, Beats und den Gesang selbst konzentriert hat. Denn Andreas hat eine klasse Stimme, die auch live voll überzeugt. Außerdem ist dieses Album im Gegensatz zu den letzten beiden Alben nicht mehr so Gitarrenlastig, wie es hier beschrieben wird. Ein bisschen Bass hier, ein paar Gitarrenexperimente da, aber hauptsächlich steckt in dem Album viel Elektronik. Hört euch die Alben mal öfter an und motzt nicht gleich nach kurzer Zeit über zwei Songs rum.