laut.de-Kritik

Billie Eilish liefert Mittelmaß, Hans Zimmer großes Kino.

Review von

Hans Zimmer, seit Jahrzehnten einer der wichtigsten Score-Komponisten, kennt sich aus im Action-Geschäft: Er komponierte u.a. für Filme von Regisseuren wie Christopher Nolan und Ridley Scott. Insofern war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Geheimdienst ihrer Majestät endlich mal auf die Idee kam, ihn zu rekrutieren. Könnte man meinen.

Denn Zimmer war tatsächlich zweite Wahl: Komponist Dan Romer hatte Ende 2019 wegen kreativer Differenzen seinen Hut genommen - zuvor war es aus denselben Gründen schon zu einem Wechsel auf dem Regiesessel gekommen, Cary Fukunaga folgte auf Danny Boyle. Ähnlich wie der Film erschien auch der Soundtrack, nicht zuletzt aufgrund der Corona-Krise, auch später als geplant.

Schon vor einem halben Jahr räumte allerdings Billie Eilishs Titelsong zum 25. Bond, hier der letzte in der Tracklist, einen Grammy ab: In dem mit typischer Bond-DNA ausgestatteten Arrangement spielt die Amerikanerin ihre zerbrechliche Stimme voll aus. Eilish darf sich nun zwar als die jüngste Künstlerin eines Bond-Titelsongs ever bezeichnen. Anders als der Titelheld auf der Kinoleinwand geht der Track aber musikalisch kein Risiko ein. Zumindest sticht er im Jahrzehnte langen Kontext der Bond-Titelsongs nicht heraus.

Was die restliche Musik angeht, standesgemäß orchestral instrumentiert, kann man dann nicht gerade von Mittelmaß sprechen. Zimmer fährt ein riesiges Orchester auf und arbeitet u.a. mit Ex-The Smiths-Gitarrist Johnny Marr und Drummer Jason Bonham zusammen. Die mächtige Produktion besorgte Zimmer-Intimus Steve Mazzaro.

"Gun Barrel" stellt gleich zu Beginn die Nackenhaare auf - das kurze Stück nimmt das klassische James Bond-Theme auf und stellt unmissverständlich klar: 007 is back. "Matera" sorgt direkt für das nächste Wiedersehen und lässt Bond-Fans nostalgisch schwelgen: Unaufdringlich, aber unüberhörbar klingt John Barrys "We Have All The Time In The World" aus "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" mit George Lazenby an - dem übrigens einzigen noch lebenden Bond-Darsteller der ersten Generation. Das instrumentale Hauptthema des Films von 1969 taucht später noch in "Good To Have You Back" auf.

"Message From An Old Friend", "Square Escape" oder "Gearing Up" führen die elektronischen Anteile bzw. Synthiesounds ins Klangbild ein, die zu Zimmers Markenzeichen gehören. Selbstverständlich tölpeln oder poltern diese nicht wie der Elefant im Porzellanladen umher - selbst, wenn sie mal weniger unterschwellig, sondern massiver daherkommen. Vielmehr verstärkt die Elektronik die gewünschte Atmosphäre, bevorzugt im Bass- bzw. pulsierenden Rhythmusbereich.

Johnny Marrs Gitarre hört man erstmals bewusst in "Someone Was Here". Nach einigen, vom atmosphärischen Spannungsbogen her klassisch orientierten Score-Arrangements, wirkt "Cuba Chase" in der ersten Minute dann fast wie ein verstörendes Stück Neue Musik. In der Folge dominiert über die restlichen fast fünf Minuten Spielzeit ein perkussives, mit mächtigen Bläsern und Streichern aufgeladenes Soundbild: Tempo, Dynamik und nervenaufreibende Abwechslung. Sicher ein Highlight.

"Back To MI6" und "Good To Have You Back" fußen wiederum in klassischen Bond-Harmonien. Bei "Home" kommt zum zweiten Mal eine menschliche Stimme ins Spiel, wenn auch nur kurz und instrumental eingesetzt. In "Posion Garden" läutet erst die Totenglocke, bevor das Stück dramatisch aufklart. Bei "I'll Be Right Back" ist die Gefahr quasi mit Händen zu greifen: bassig, mächtig und temporeich. Besagte Verbindung von Elektronik und Orchester wird eindrucksvoll in Szene gesetzt.

Gerade den längeren Stücke, etwa "Norway Chase" oder "The Factory", hört man gerne dabei zu, wie sie ihren Charakter entwickeln, ihre Klangfarbe ändern und Fahrt aufnehmen. Aufregend, aufwühlend, bedrohlich, dunkel, actionreich, überwältigend, aber auch erlösend oder mit heruntergefahrenem Puls: Die monumental angelegte und doch dynamische Musik Zimmers wirkt sehr lebendig. Und sie motiviert, sich Daniel Craigs letzten Auftritt als 007 anzusehen. Das Besondere an den Bond-Soundtracks bleibt aber stets diese seit Jahrzehnten unverwechselbare Sound-Signatur, in die sich jeder verantwortliche Komponist einfügt.

Trackliste

  1. 1. Gun Barrel
  2. 2. Matera
  3. 3. Message From An Old Friend
  4. 4. Square Escape
  5. 5. Someone Was Here
  6. 6. Not What I Expected
  7. 7. What Have You Done?
  8. 8. Shouldn’t We Get To Know Each Other First
  9. 9. Cuba Chase
  10. 10. Back To MI6
  11. 11. Good To Have You Back
  12. 12. Lovely To See You Again
  13. 13. Home
  14. 14. Norway Chase
  15. 15. Gearing Up
  16. 16. Poison Garden
  17. 17. The Factory
  18. 18. I'll Be Right Back
  19. 19. Opening The Doors
  20. 20. Final Ascent
  21. 21. No Time To Die (Billie Eilish)

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4 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Definitv besser als die Scores von Thomas Newman, aber vom Sessel hat mich Zimmers Soundtrack nicht gehauen. 3 Sterne sind gerechtfertigt. John Barry und David Arnold bleiben unerreicht.

  • Vor 2 Jahren

    Das Cover ist recht wack, ma anmerken.

    Wat is eigentlich mit die Bond-Song für diesen Film, noch nicht draußen? Hab nix mitbekommen, wer darf diesmal ans Mic? Ach sehe grad letzter Track von / mit Billie Eilish, mir schwant übles.. will ich das anklicken?

  • Vor 2 Jahren

    Wie kann man hier Final Ascent unerwähnt lassen? Hans Zimmer Melodramatik-Endlevel. Nahe am The Rock Soundtrack Niveau. Auch sonst liefert der Hans solide ab. "We Have All The Time In The World" hätte aber auch noch auf das Album gehört.

    • Vor 2 Jahren

      ""We Have All The Time In The World" hätte aber auch noch auf das Album gehört."
      Definitv. Ich halte ansonsten nichts von Satchmo (viel zu überkandidelt der Gesangsstil), wie allgemein nichts von Vocaljazz, aber dieser Song ist mega.

  • Vor 2 Jahren

    Ich wüsste dann aber schon gern, inwiefern James Bond in diesem Film musikalisch ein Risiko eingeht.

    Und warum meine Autokorrektur aus "Bond" "Bondrucker" machen will. Nie geschrieben, das Wort.