laut.de-Kritik
Schon die Gästeliste treibt Tränen in die Augen.
Review von Dani Fromm"Let's play a game: Let's pretend for a second you don't know who I am and what I do." Viel länger als eine Sekunde wäre dieses Spiel nicht durchzuhalten: Ob mit oder ohne P.: Diddy zählt zu den Großen im internationalen Rap-Zirkus. Nichts anderes demonstriert die Professionalität, die sein jüngstes Album an den Tag legt.
Allein schon die Gästeliste treibt mir ungläubiges Staunen in die Augen: An den Reglern finden wir neben Diddy persönlich unter anderem Havoc, Timbaland, Kanye West, Just Blaze, Will I Am und die Neptunes. Das Mikrofon geben sich neben der Gesangskönigin Mary J. Blige, einer unbeschreiblich wandlungsfähigen Christina Aguilera oder Vorzeige-Tanzmaus Nicole Scherzinger, die Kollegen Nas, der über Gnarls Barkley zu ungeahnter Popularität aufgestiegene Cee-Lo oder Outkasts Big Boi in die Hand: Wäre ich darauf aus, ein Diplom in Namedropping zu erwerben: "Press Play" gäbe ein interessantes Studienobjekt ab.
Doch letztlich zählt ja kaum, wer am Herd steht: Optik, Aroma und Geschmack des servierten Gerichts fallen bei der Verkostung weit schwerer ins Gewicht. Die auf Hochglanz getrimmte Speisekarte verheißt, womit ich insgeheim gerechnet habe: Ein sich im Booklet in edler Fotostrecke als leicht melancholischer Loverboy in Szene setzender Hauptdarsteller lässt ordentlich glatt produzierten Jiggy-Sound, geschmälzt mit einer guten Portion R'n'B erwarten. Ich gehorche der im Titel ausgesprochenen Aufforderung, und siehe: Ich behalte nur teilweise Recht.
Bescheiden als "Intro" abgetan, bietet "Testimonial" - als Paradebeispiel für Spannungsaufbau - eine beachtliche Eröffnungsnummer. "You know my name" heißt es abschließend. Zweifellos - und mit Recht, wie das Kommende beweist. Mit billigen Klängen gibt sich Diddy, "boss of all bosses", nicht ab. Stattdessen fährt K-Def für "We Gon' Make It" revue-mäßig schillernde Bläser auf, die mit dem Bass um die Wette grooven. Unter Havocs Regie rollt in "The Future" die Zukunft unaufhaltsam näher und vermittelt wie eine geduckt heranschleichende Raubkatze den Eindruck gefährlicher Kraft. (Selbstverständlich ist es ein schwarzer Panther, der durch meine Gedanken schnurrt.)
"Come To Me", mit Pussycat Dolls-Frontfrau Nicole Scherzinger, dürfte, obgleich gar nicht hektisch, die Tanzflächen der Welt ebenso rasch füllen wie das zudem mit intelligenten Melodien unterfütterte "Special Feeling". Den Tagespreis für Dynamik räumt allerdings die von Just Blaze zu verantwortende Killernummer "Tell Me" ab: Ein wuchtiger Beat überrumpelt den Hörer und lässt ihn mit offenem Mund zurück, während Diddys Raps und Madame Aguileras Gesang ein ungleiches und doch glamouröses Paar abgeben. Ich wäre erschüttert, hätte ich von einem Mann, der solches bietet, noch nie zuvor gehört!
Zwischendurch wird es angedroht: "It only gets more intense." Eine Ahnung von Kirchenorgeln verleiht dem merkwürdig zerrissenen Klang von "Hold Up" etwas Unwirkliches. Cee-Lo und Nas produzieren sich in "Everything I Love" über ein Instrumental, das die unverkennbar üppige Handschrift Kanye Wests trägt. Hier wird nicht gekleckert, hier wird mittels wummernder Bässe, opulenter Bläser und Orgeln auf ganzer Linie geklotzt. Fast blumige Synthies unterlegen den zuckersüßen Gesang von Crunk-Prinzessin Ciara und die damit kontrastierenden hektischen Raps eines Big Boi in "Wanna Move".
Ich wäre völlig begeistert von diesem Machwerk, wäre es (Zahl und Länge der gebotenen Songs hätten solches durchaus zugelassen) nach "Special Feeling" zu Ende gewesen. Ab da allerdings wird voll in die Schmalztöpfe gegriffen. Zwar bleiben die Produktionen auch weiterhin untadelig, so ist doch zweierlei offensichtlich: Diddy ist kein großer Geschichtenerzähler und R'n'B keine Musikrichtung, die grundlegend Neues zu bieten hat.
Außer schmachtenden, tausendmal zuvor gehörten Beziehungs-Bestandsaufnahmen ist nichts zu holen, und mit Verlaub: Dass Herzensangelegenheiten immer ganz toll anfangen und dann in aller Regel hässlich schmerzhaft in die Hose gehen ... Jemand hier, dem dieser Umstand neu ist? Durchschnittliche Love-Stories reißen mich persönlich ebenso wenig vom Hocker wie in hohen Tonlagen trällernder, verhuschter Frauengesang, auch wenn die musikalische Grundlage ohne Frage perfekt zurechtgezimmert rüber kommt. Doch das bleibt letztlich, wie so vieles, glücklicherweise Geschmacksache.
7 Kommentare
@himself (« WAS IST LOS MIT MIR »):
Tja.
Mags ebenfalls und Wanna Move ist eine little Wucht:).Der Rappart Big Bois das Highlight!
ein album, das ich mir aus prinzip nie anhören werde, egal wie geil es ist...
Ich halte nicht viel von P. Diddy, aber wenn das Album wirklich größtenteils so gut ankommt, werde ich es mir auf jeden Fall mal anhören...
Diddy ist eigentlich ein Vollidiot... Aber einer der A-Klasse^^...
Dennoch ist sein Album teilweise echt brilliant! Von 'Last Night'(My all time fav) über 'Tell Me' zu 'Come to me' und 'Wanna Move'... einfach geil!!
für mich ist diddy mittlerweile unhörbar