laut.de-Kritik
Eine kleine Nachtmusik für euch Grufties.
Review von Franz MauererDie "Nachtmusik" beginnt ganz sinnig mit der "Einfürung" [sic!], da stellt sich schnell Verwirrung ein. Irgendwie ein japanisch anmutender Gebrauch der deutschen Sprache; das gelungene Cover sieht ein wenig nach Wales aus, das Gesamtding nach einem Death Metal-Gewitter. Stattdessen ist das "Burning Sword" gar nicht so doll brennend: Eingängiger, aber Shoegaze-informierter Post-Punk ist das Steckenpferd des kanadischen Quartetts Pøltergeist. Im Kern ein wenig an The Horrors erinnernd, aber mit weniger Drama-Queen-Gehabe und einer Goth-Attitüde.
"The Burning Sword" ist ein nettes Stück, Bandchef und Sänger Kalen Baker hat eine charakteristische, zum Sound passende Stimme. Zum Schluss wird es gar ein wenig Sing-a-long-ig, so richtig weit weg vom Pop sind die Nordamerikaner selten, besonders viele Haken schlägt das Ding aber auch nicht, fast schon zu glatt. Da gerät "Ethereal Nightmare" allein schon wegen der Bassline von Ben Wytham spannender. Baker dreht auch mehr auf und seine recht weit hinten positionierte Stimme kommt mit mehr Druck tief aus dem Keller einer verlassenen manor. Hier hört man das – wenngleich schon immer völlig diffuse – selbstangestrebte Genre Deathrock mehr raus.
"Cold In September" dagegen würde auf der neuen Scheibe von The Cure zunächst keinesfalls negativ herausstechen. Wytham legt schon wieder eine feine Figur vor, Gitarrist Jacob Ponton tänzelt fein darum herum, leider wird der wirklich bemerkenswerte Beginn des Songs nicht völlig souverän weiterentwickelt, sondern verflacht ein wenig zu einer immer noch guten an The Cure erinnernden Nummer – aber nicht mehr wie eine Nummer direkt von den Legenden, sondern wie eine sympathische Hommage, ein Versuch.
"Yesterday Fades" zwingt aufgrund seines Schulenglisch-Titels zu der kurzen Klarstellung, dass wohl auch zukünftig Anglistik-Studiengänge ohne "Nachtmusik" auskommen werden, die Texte aber zumindest nie stören, sondern recht stabil im erwartbaren Rahmen bleiben: duster, Herzschmerz, blubb. Der Song deckt außerdem endgültig ein ärgerliches Muster auf: Die ersten Sekunden von Pøltergeist-Songs wirken wie richtig interessante Klopper, danach presst Baker die Band in ein zu konservatives Schema. Natürlich hilft es immer noch, dass wie schon erwähnt, und das gilt für den nur für die Aufnahmen einspringenden Schlagzeuger Al Lester von Spell genauso, ihr Handwerk verstehen. Der nagende Gedanke, dass "Yesterday Fades" deutlich mehr hätte werden können als ein okayer Song, geht aber nicht weg und auch nicht der, dass es an Baker liegt, der sich viel zu oft bequeme Flächen für seinen Gesang schreibt.
"Children Of The Dark" könnte mehr seiner ganz kurz durchblitzenden Aggressivität brauchen, denn bei aller Eingängigkeit sind fünfeinhalb Minuten für diese eine Idee halt nicht genug, und wie häufiger hört sich das unvermeidliche Solo nicht an wie ein Kampf schrillen Ektoplasmas, das sich mit Gewalt durch eine Kellertür zwängt, sondern wie der Geist hinter der dritten Kurve der Geisterbahn, ab der man zu erahnen beginnt, dass es wohl hinter jeder Kurve einen gibt. Das gilt selbst für das zweitplatzierte Albumhighlight "Swallowed By The Ocean", dessen bezirzende Dynamik durch ein ganz wenig Noise recht lange -aber nicht lange genug - aufrechterhalten wird, und für das durchschnittliche "Will We Ever Live Again" sowieso.
Wie es besser ginge, zeigen die Ahornjungs erst kurz vor Schluss mit "Walking Alone", das endlich so viel Schmiss und Abwechslung in die Eingängigkeit wirft, dass diese zu keiner Sekunde zur -tönigkeit verkommt. The Sisters Of Mercy auf zeitgenössisch, ein richtig geiler Track, tanzbar ohne Ende. Insgesamt ist "Nachtmusik" ein in Kern & Ausführung viel zu gutes Album für ein schlechtes und ein in der Konzeption ein viel zu schlechtes für ein richtig gutes.
1 Kommentar
Solide, aber könnte wirklich aufregender sein