laut.de-Kritik

Ein Kanon der Verzweiflung.

Review von

Die Zeit des Versteckens ist vorbei. Und zwar gleich in doppeltem Sinn. Denn zuletzt hatten Porridge Radio sich rar gemacht, anstrengende Jahre liegen hinter dem Quartett aus Brighton. Zu Beginn der Pandemie wirbelte das zweite Album "Every Bad" die Indie-Szene durcheinander. Der Nachfolger "Waterslide, Diving Board, Ladder To The Sky" bestätigte den Hype. Darauf erweiterte die Band um Dana Margolin ihren spröden Rocksound um vielschichtige Arrangements. Hinzu kam ein straffer Tourplan.

Ausgelaugt zog Margolin sich zurück, malte, komponierte Filmsoundtracks und reflektierte über den plötzlichen Erfolg ihrer Band. Dabei stellte sie sich auch selbst infrage. Die Sängerin empfand ihr Songwriting als zu eindimensional. Margolin glaubte, dass sie sich hinter der immer opulenter werdenden Musik zu verstecken begann. Und so schrieb sie für Porridge Radio keine Songs, sondern Gedichte. Tatsächlich gibt es auf "Clouds In The Sky They Will Always Be There For Me" kein Verstecken mehr. Margolin ergibt sich ihrem Seelenleid, berichtet von Depression und gebrochenen Herzen. Als hätte sie in die Gedichte ihren tiefsten Schmerz gesteckt, um das Glück zu suchen.

Die Musik dazu ist noch slowcoriger geworden, die Spannung baut sich gemächlich auf. Etwa in "Anybody", das ganz winzig beginnt, mit spärlichen Gitarrentupfern. Dann ertönt ein Mellotron, Schlagzeuger Sam Yardley drischt immer exaltierter auf sein Instrument ein. "Trying to reach you", fleht Margolie dazu, "I don't want to know anybody else". Die Melodien laufen über- und gegeneinander, ein Kanon der Verzweiflung entsteht. Und auch das majestätische "Wednesday" ist ein Spiel mit der Dynamik, zu dem Margolin eine unheilige Präsenz beschwört: "Spirit, sneak into the bedroom, I let it take over me". Anfangs werden die Saiten nur behutsam gezupft, als hätte man Angst, die herbeigerufene Präsenz zu verjagen. Dann bricht eine doomige Gitarrenmelodie hervor, die den Song in düsterste Geistersphären hinabzieht.

Manchmal klingen Porridge Radio herrlich entrückt. Auf "In A Dream I'm A Painting" zum Beispiel, das in Harmonium getaucht ist und an die Avant-Königin Nico erinnert. Oder in "God Of Everything Else": Leiernde Synthie-Streicher ebnen den Weg zu dieser Trennungshymne, in der Dana Margolin besonders hervorsticht. Ihre Stimme ist rau, mal raunt sie niedergeschlagen, dann schreit sie anklagend, meckernd fast. "You always said that I'm too much", besingt sie das Beziehungsende. Und man glaubt ihr, wenn sie hinzufügt: "It's not that I'm too much, you just don't have the guts". Anderes ist direkter, mit "You Will Come Home" schunkelt sich das Quartett ins Fahrwasser von Neutral Milk Hotel. Das Schlagzeug klingt räumlich, das Tamburin überholt sich selbst, die Gitarre schrammelt dazu.

"Hole In The Ground" ist ein modestmousiger Rückgriff auf den amerikanischen Indie der Neunziger. Und das kurze Zwischenspiel "Sleeptalker" durchquert die Gezeiten. Ein zaghafter Beginn, ein abgeebbtes Klavier, die Trompete lässt lange Töne stehen. Dann flutet ein freiförmiges Crescendo heran, ein wenig wie bei Black Country, New Road. Mit dieser Klangflut reißen Porridge Radio dann alle Fassaden nieder. Gut, dass Dana Margolin sich nicht mehr versteckt.

Trackliste

  1. 1. Anybody
  2. 2. Hole In The Ground
  3. 3. Lavender, Raspberries
  4. 4. God Of Everything Else
  5. 5. Sleeptalker
  6. 6. You Will Come Home
  7. 7. Wednesday
  8. 8. In A Dream I'm A Painting
  9. 9. I Got Lost
  10. 10. Pieces Of Heaven
  11. 11. Sick Of The Blues

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