laut.de-Kritik
Electro-Punk, der jede Tanzfläche in ein Schlachtfeld verwandelt.
Review von Toni HennigDie Berliner Formation Prada Meinhoff um Sängerin Christin Nichols, kurz Chrissi, und E-Bassist sowie Beatbastler René Riewer, befindet sich momentan als Voract von Mia auf Deutschlandtournee. Die Hauptband dürften sie ohne Zweifel an die Wand spielen. Der Electro-Punk ihres selbstbetitelten Debüt-Albums verwandelt im Grunde genommen so ziemlich jede Tanzfläche in ein Schlachtfeld.
Zunächst feiert das Duo in "Brand" ein exzessives Fest auf die eigene Existenz. Natürlich kann man den Songtitel dabei ironisch und mehrdeutig verstehen. "Die Zeit rennt, verdammt", heißt es im Refrain. Dazu klingt Chrissi in diesem Track wie eine aufgekratzte Version der frühen Anette Humpe. Darüber hinaus lassen das rhythmische E-Bass-Spiel und die lauten, knalligen Beats von René Riewer in der Nummer eine ausgelassene Pogo-Stimmung aufkommen.
Auf einer ordentlichen Electro-Party darf auch "Maske" nicht fehlen. Vordergründig geht es der Formation in dem Song darum, im Social-Media-Zeitalter zur Authentizität aufzurufen. Zusätzlich setzt er sich äußerst hartnäckig in den Gehörwindungen fest. Im Großen und Ganzen sollte man beim Hören dieser Platte seinem Gehirn Urlaub verschreiben. Bahnbrechende Erkenntnisse gibt es auf diesem Werk nicht zu erwarten.
Nichtsdestotrotz hält die Band ein paar nachdenklichere Momente bereit. Nach einer langen, durchzechten Nacht bleibt nämlich am nächsten verkaterten Morgen häufig nur noch ein schlechtes Gewissen übrig.
"Ich muss mal auf mich aufpassen, auf mein Rauchverhalten und das Geld in meinen Bauchtaschen", zieht Chrissi in "Schluss" über ihre Ausgeh-Gewohnheiten Bilanz, während die tiefen Bass-Riffs von René an Joy Division gemahnen. In "Komplizen" kündet sie gar dramatisch: "Hab' 'ne acht Millimeter, ich hab' nichts zu verlieren." Zwischen der Euphorie des Moments und selbstzerstörerischen Gedankengängen herrscht bei den Hauptstädtern also ein schmaler Grat.
Dazwischen covern sie gelungen den NDW-Klassiker "Eisbär" von Grauzone. Das Stück baut sich nach und nach atmosphärisch auf und steigert sich im weiteren Verlauf bis zur Ekstase. Letzten Endes dürfte diese Neuinterpretation niemanden kalt lassen. Dafür geraten die Hüften bei dem Track viel zu sehr in Schwingung.
Überdies geizt die Formation nicht gerade mit popkulturellen Querverweisen. In "Dilemma" singt Chrissi: "Komm, mach' mal den Rechner zu und denk' an Kathleen Hanna." Sie ergänzt: "Ich wär' so gern' dabei gewesen." Wahrscheinlich konnten viele, die Prada Meinhoff letztes Jahr im Vorprogramm von Milliarden live gesehen haben, die Ursprünge der Riot-Grrrl-Szene nicht miterleben. Dementsprechend bieten die Berliner, die in dem Song Conor Oberst oder Sublime erwähnen, Anlass genug, ein paar Bildungslücken zu schließen.
In "Krieg" schießen sie gegen das System an sich. Bertolt Brechts "Resolution Der Kommunarden" kleiden sie in ein elektronisches Rock-Gewand und zeigen sich somit auf diesem Album von ihrer aufmüpfigen und rebellischen Seite. Sicherlich kann man so manches auf dieser Platte als plakativ bezeichnen.
Andererseits lässt sich der hohe Unterhaltungsfaktor der Scheibe nur schwer leugnen. "Wir fahren raus aus unserer Haut", verdeutlicht Chrissi im anschließenden "Express" unmissverständlich. Die an Crystal Castles erinnernden Beats in dieser Nummer vermitteln ebenfalls wenig Feingefühl. Nicht umsonst fassten DAF, die sich mit den beiden Hauptstädtern schon einmal die Bühne teilten, das hedonistische Lebensgefühl in den frühen 80er-Jahren in drei Worten zusammen: "Verschwende Deine Jugend".
Bei Prada Meinhoffs Debüt kann von Langeweile nicht die Rede sein. Obendrein sorgt die junge Formation wegen ihres Spiels mit musikhistorischen Referenzen für den ein oder anderen A-ha-Effekt beim Hören. Dennoch entfaltet ihre Musik vor allem auf den Brettern, die die Welt bedeuten, ihre explosive Wirkung.
1 Kommentar mit einer Antwort
Das ist so scheiße, dass es schon wieder scheiße ist.
Man muss natürlich über das Plakative und Dilettantische ein wenig hinwegsehen und darf die Band nicht all zu ernst nehmen, aber dann funktioniert das Album bei einer Sterni-Runde oder auf der Tanzfläche erstaunlich gut.