laut.de-Kritik
Geoff Tates Ex-Kollegen steigen siegreich aus dem Ring.
Review von Kai ButterweckMit "Frequency Unknown" setzte der Gift und Galle spuckende Ex-Frontmann Geoff Tate vor einigen Wochen die Messlatte für seine ehemaligen Queensryche-Mitstreiter in etwa auf Kniehöhe an. Spätestens als die Herren Todd La Torre, Michael Wilton, Scott Rockenfield, Eddie Jackson und Parker Lundgren mit den beiden Vorab-Songs "Redemption" und "Fallout" zum ersten Hürdenhüpfen ansetzten, schien festzustehen: Das Duell - Geoff Tate versus Scott Rockenfield und Co. - dürfte nur ein kurzer Schlagabtausch werden.
Bereits nach wenigen Minuten herrscht Gewissheit. Der dem sphärischen Intro folgende Opener "When Dreams Go To Die" sorgt für einen frühzeitigen K.O., noch ehe die verbliebenen Queensryche-Verantwortlichen die Handschuhe festgeschnürt haben.
Mit bandtypischen Dynamikwechseln, ausgeklügelten Gitarrenläufen und einem neuen Mann am Mikrofon, der mit jedem Ton schallende Ohrfeigen in Richtung Tate entsendet, tritt die Band mit stolz geschwellter Brust ins Rampenlicht. Ähnlich impulsiv und voll im Saft präsentierten sich Queensryche das letzte Mal vor ungefähr 20 Jahren.
"Spore" kommt ebenfalls knackig um die Ecke. Etwas moderner arrangiert, reißt der Song klaffende Löcher ins Prog-Metal-Genre. "In This Light" schließt in punkto Energie nahtlos an. Sänger Todd La Torre spielt all seine Trümpfe aus und sorgt mit intensivem Balancegefühl und druckvollen Brust-Sounds für stehende Ovationen bei der Hörerschaft. Aber auch der Background lässt nicht locker. Immer wieder pendeln die Schattenmänner zwischen Clean- und Overdrive-Reglern hin und her, ehe sich das Kollektiv pünktlich zum öffnenden Refrain in den Armen liegt.
"Redemption" hinterlässt nicht ganz so viele Spuren. Ganz anders: "Vindication", ein vertrackter Hektiker mit einer erneut beeindruckenden Gesangsvorstellung an vorderster Front. Eine Minute später macht das instrumentelle "Midnight Lullaby" Platz für Erinnerungen an "Silent Lucidity"-Zeiten ("A World Without"). Geoff Tate kriegt von alldem nicht mehr viel mit. Der im Vorfeld große Töne spuckende Queensryche-Francois Botha liegt mittlerweile schon abtransportbereit auf einer Trage.
Mit den beiden Auf-Nimmerwiedersehen-Begleit-Nummern "Don't Look Back" und "Fallout" erweisen sich die Gewinner der Queensryche-Battle als wahre Fairplay-Musikanten. Der letzte große Stich ("Open Road") erfolgt erst, nachdem sich Tates Bewusstsein endgültig in Richtung Traumwelt verabschiedet hat.
Queensryche haben im Vorfeld der Veröffentlichung dieses Albums bewusst auf eine öffentliche Konfrontation mit ihrem verbitterten Widersacher verzichtet. Die Musik werde letztlich alle Fragen beantworten, so Scott Rockenfield vor einigen Wochen. Wie Recht er doch hat.
9 Kommentare
Und warum bitte wird so ein geiles Album mit drei Punkten abserviert? Klar, die Hürde von Geoff Tates-Nullnummer war nicht sonderlich hoch, um sie zu nehmen. Aber "Queensryche" ist einfach ein in sich stimmiges Album geworden.
Das nenne ich mal eine souveräne Reaktion in Richtung des Kollegen. Respekt.
dass die nun beide quasi unter nahezu identischem namen firmieren hat ja schon eine gewisse - wenn auch verwirrende - komik
ich raff nix. warum veröffentlichen die unter demselben namen?
@Catch Thirtythree (« ich raff nix. warum veröffentlichen die unter demselben namen? »):
Weil die Namensrechte noch nicht geklärt sind. Die zoffen sich gerade vor Gericht darum, wem das Schäufelchen und wem das Förmchen gehört, und solange die Sandkastenaufsicht noch kein Machtwort gesprochen hat, dürfen beide damit spielen.
Gruß
Skywise
Möchte nur mal wissen, wo "A World Without" an "Silent Lucidity erinnert, das klingt eher nach "Promised Land". Ansonsten treffende Rezension, Album ist gut, nur bisschen kurz mit gerade mal 35 Minuten.