laut.de-Kritik
Begegnung unterm X-Men-Poster.
Review von Dani Fromm"Gottogott, jetzt singt der auch noch." Mancher Schauspieler hat einen schon zu diesem Gedanken getrieben, kaum dass er ambitioniert zum Mikrofon greift. Hin und wieder hat die Kombination künstlerischer Tätigkeiten aber doch etwas Nützliches: "You're A Man Now, Boy" hätte ich vermutlich verpasst, wäre mir die Visage auf dem Cover nicht gar so bekannt vorgekommen.
Das ist doch ... oder ... nicht? Ja, Tatsache, ist er: Grey Worm, Kommandant der Unbefleckten aus "Game Of Thrones", und dort gar nicht sooo furchtbar beeindruckend bei Stimme. Auf seinem Debüt legt er dafür aber ein begnadetes Händchen für pompösen R'n'B mit Hip Hop-Schlagseite an den Tag.
"I wanna make sone money, I wanna waste some time." Wer wollte das nicht? Von Zeitverschwendung bleibt die Eröffnungsnummer "Werld Is Mine" trotzdem weit entfernt. Wuchtig, druckvoll und kantig legt der Track los, Pianoakkorde und Bläsersätze, die trotzdem irgendwie unauffällig unter dem Radar entlang schwirren, inklusive.
Herzerwärmend unaufgeregt singt Raleigh Ritchie von der ewigen Kluft zwischen Kopf und Bauch, von der Unvernunft, der Reue, kaum dass man diese denn einmal ausgelebt hat, und von der ungebrochenen Bereitschaft, es trotzdem wieder zu tun, und wieder. Irgendwann brechen die Schutzwälle ohnehin: "My defence dropped. I was lost, but now am found."
Wer in einem solchen Umfeld eine glattgebügelte und entsprechend austauschbare Gesangsdarbietung erwartet, liegt in 99 Prozent der Fälle richtig, bei Raleigh Ritchie zum Glück voll daneben. Er lässt Ecken, Kanten und Brüche zu, versucht zudem nicht groß, seinen britischen Akzent zu verbergen, und hebt sich allein deswegen schon signifikant von der Masse ab.
Wo die Liebe nicht siegt, tut es weh. Aus erlittenen Verletzungen lassen sich dann aber bestens wieder Tracks wie "Bloodsport '15" destillieren, das zwischen flackernden Elektrosounds wie aus dem Spielautomaten die in die Binsen gegangene Beziehung verhandelt. "How can I please you when I can't please myself", bringt die Zugabe "Stay Inside" auf den Punkt, worin oft das Hauptproblem besteht.
"I Can Change", beteuerte Raleigh Ritchie zuvor zu molliger Streicherbegleitung. Während man noch rätselt, ob man das glauben soll, und wenn ja, warum ausgerechnet diesmal, demonstriert er, dass er nicht nur rappen kann, sondern auch den theatralischen Refrain fest im Griff behält. In den Akustikgitarrenpop von "Birthday Girl" darf man sich ebenfalls ohne jedes Verletzungsrisiko fallen lassen.
"Keep It Simple" macht es sich im Gegensatz dazu ein bisschen zu einfach, nutzt zu viele Schablonen, der Chorus wirkt völlig überladen. Viel besser trifft der Titeltrack die Stimmung: Die Akkorde wirken, "Einmal werden wir noch wach", wie bei einem Kinderlied geborgt, was wiederum prima zum Thema passt.
"The world is at my feet tonight." Hinter der großmäuligen Fassade, frech aus dem Hip Hop adaptiert, wohnt das unsichere Persönchen, das irgendwo tief in jedem steckt, und darf sogar hin und wieder herausspähen. "You're A Man Now, Boy", mag sein. Der aus den Kinderschuhen herausgewachsene Junge beäugt diese Entwicklung allerdings trotzdem ein wenig skeptisch. Er ist doch eigentlich immer noch derselbe, "Young & Stupid". Oder nicht?
Wie grundsympathisch das wirken kann, zeigt "Life In A Box". Die klassische Schlafzimmerschmonzette verlegt Raleigh Ritchie in einigermaßen abgefucktes Ambiente. "I hope you don't mind my X-Men poster." Machst du Witze, Mann? Es sind nicht die schlechtesten Frauen, bei denen man gerade damit offene Türen einrennt.
1 Kommentar mit einer Antwort
Das Album ist einfach grandios. Bisher mein Highlight 2016!
Stimme ich zu 100% zu!