laut.de-Kritik
Jarvis Cocker lädt zum Rockabilly-Totentanz.
Review von Mathias Möller"A Heavy Nite With ... Relaxed Muscle" ist wohl eine der schrägsten Platten des Jahres. Nicht nur des Cover-Artworks wegen. Dass Jarvis Cocker von Pulp hinter der Sache steckt, dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein. Doch wer meint, damit wäre ein Stilrichtung vorgegeben, irrt gewaltig.
Die Musik des entspannten Muskels lässt sich wohl am ehesten als Elektro-Rockabilly mit augenzwinkernden Industrialattacken kategorisieren. Wenn überhaupt. Beim ersten Mal ein ziemlicher Haufen undurchhörbarer Geräusche, macht die harte Nacht ab dem dritten Mal Hören durchaus Spaß. Mit verantwortlich dafür ist die Auswahl an zum Teil wahnwitzigen Sounds. In "3Way Accumulator" gibt ein klingelndes Telefon den Rhythmus vor, bei "Beastmaster" verrät ein Katzenjammer, um welches Ungetüm es in diesem Song geht. Das Ganze klingt dann zu Anfang wie der "Sure Shot" von den Beastie Boys.
Wenn Darren Spooners aka Cockers Alter Ego "Billy Jack" die Bühne betritt, pfeifen dem Hörer auf einmal Kugeln um die Ohren. Tribal-Percussions und Polizeisirenen garniert mit Rock'n'Rollgitarren warten in "Muscle Music" auf. Und musikalisch? "The Heavy" ist ein wahrlich schwerer Einstieg. Tiefergelegtes Bassbrummen, Dampfhammer-Beats und tiefer, kaum verständlicher Murmelgesang.
Dann auf einmal: Nine Inch Nails! Klingt zumindest nach Trent Reznor und man ist versucht zu schreien: "I want to feel you from the inside". Der "3Way Accumulator" wartet danach unerwartet mit eine countryesken Gitarre auf. Doch dann wieder Beats und Dunkelgesang. Und das erwähnte Telefon, dessen sich während des Songs niemand erbarmt.
Wenn Spooner den "Beastmaster" als neuen Modetanz anpreist, will man sofort das Tanzbein schwingen. Denn wer zu "A Heavy Nite With ..." hotten kann, der hat das Biest bezwungen. Doch wenn "Billy Jack" sagt: "Stirb!", dann ist alles vorbei. Totentanz galore! Relaxed Muscle steigern sich in einen aberwitzigen Reigen, "Rod Of Iron", "Sexualized" und "Tuff It Out" pumpen Beats auf die Tanzflächen, dass sogar Gothic-Schwebetänzer den Rhythmus finden.
Entspannung für die geschundenen Stampfer gibt es erst ab "B-Real" wieder, über das Spooner sprechsingt. Gewollt pseudo-esoterisch wirds bei "Previous", wenn er über frühere Leben sinniert, "Battered" kontrastiert harte Lyrics mit Akustikgitarren. Die klingen auf "Mary" schon arg nach Led Zeppelin. Zum Schluss gelingt "A Heavy Nite With ..." schon fast hypnotisch.
Es sieht also ganz so aus, als benutze Cocker Relaxed Muscle als Ventil, um sich mal richtig austoben zu können. Und das macht er auf "A Heavy Nite With ..." auch rücksichtslos. Das Ganze gelingt trotz des hohen Unterhaltungswerts am Stück ein wenig anstrengend. Aber stellenweise ist der Spaßfaktor schon unverschämt hoch. Über dieses Album und die Lautstärke, in der es gehört werden muss, kann man sicher prima mit seinem Nachbarn diskutieren.
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