laut.de-Kritik
Big Band-Dandy und Rock-DJ gehen Hand in Hand.
Review von Yan VogelDie von kirchlicher Seite am Fest des Herren viel beschworene Nächstenliebe zählt auch nur, wenn der Nächste ein locker sitzendes Portemonnaie in der Tasche hat. Ho, ho, Ho Chi Minh? Da lachen ja die Banker. Gegen die Schlitten, die Robbie Williams in seiner Garage stehen hat, stinkt das Holzgefährt des Weihnachtsmannes mit maximal vier Rentier-Stärken ohnehin gewaltig ab. Der Ex-Boyband Star springt auf seinem 13. Studioalbum trotzdem auf den Weihnachtszug auf.
Die Doppel-CD teilt sich konzeptuell in eine Big Band- und eine Poprock-Seite. Das "Swing When Your Winning"-Rezept mit Schnee und Christbaumspitz-Deko dominiert Fremdkompositionen wie "Winter Wonderland" oder "Santa Baby", in dem Sugar Daddy Robbie mit Sweet Helene Fischer das Mikro teilt, die bereits reichlich Weihnachtserfahrung mitbringt.
Auch bei den eigenen Tracks bewegt sich der Entertainer mit Produzent Guy Chambers auf dem vor lauter Klischees knirschenden Eis und geizt nicht mit Titeln wie "Rudolph" oder "Yeah It's Christmas". Dabei bleibt, bei aller Berechnung, die hinter solch einem solchen Projekt steht, auch Respekt vor der Leistung des Dargebotenen geboten.
Die Weltklasse-Produktion von Chambers, die Profimucker, die ihr Handwerk meisterhaft beherrschen, die abwechslungsreichen Arrangements und Robbies Stimme, die wie ein zünftiger Williams-Birnenbrand mit Jahren an Reife gewinnt, bedingen, dass diese Wundertüte zwischen Kitsch und Kunst zumindest für Kurzweil und gute Laune sorgt. "Best Christmas Ever" fährt einen Kinderchor auf und beantwortet die Frage "Folkweise oder Kinderlied?" mit "Sowohl als auch".
Der Big Band-Dandy weicht dann tatsächlich mit dem Einlegen der zweiten Disc dem "Rock DJ". "Time For Change" beschwört die guten Vorsätze, die schon am Dreikönigstag zusammen mit dem nadelnden Bäumchen entsorgt werden. "Idlewild" ist ein emphatischer Poprocker im Stile von U2. Man sieht förmlich Bono vor dem inneren Auge, wie er eine flammende Rede über Kindersterblichkeit hält und im gleichem Atemzug seine Kohle auf den Cayman Islands versteckt.
"Darkest Night" klingt wie Springsteen mit Nikolaus-Mütze, der durch eine verschneite E-Street flaniert. Im irish-folkigen "Fairytale" legt sich Rod Stewarts Reibeisen-Stimme wie ein schnurrender Kater in den Schoß des Hörers und weckt wohlige Gefühle. Bei "Christmas (Baby Please Come Home)" taucht Bryan Adams den "Summer Of 69" in eine schneeweiße Landschaft.
Boxchampion Tyson Fury tauscht die Handschuhe gegen das Mikro, reicht aber nicht annähernd an die Stimmgewalt des Ringsprechers Michael Buffer heran ("Bad Sharon"). "Happy Birthday Jesus Christ" ist eine Gute-Laune-Nummer mit Augenzwinkern. In "Home" hängt der Himmel voller Geigen. Diese balladeske Steilvorlage verwandelt der Closer "Soul Transmission" mit seiner new wavigen Synthie-Line und sorgt für einen hymnischen Abschluss.
Der verstohlen dreinblickende Williams auf dem Artwork hat seine Platte unterm Arm und springt dem Weihnachtsmann bei der Auslieferung zur Seite. Das Fest ist gerettet, der Scheck für die nächste Karre gedeckt.
4 Kommentare
Über die Titel der Songs lässt sich definitiv streiten (ich hatte auch etwas Angst, dass es ganz schlimm kitschig wird aufgrund von "Christmas" in fast jedem Titel), aber ich muss sagen, die Klassiker, die er gecovert hat gefallen mir persönlich sehr gut und Robbie und Swing passt finde ich sowieso sehr gut zusammen.
Und ich finde die zweite Hälfte ("Christmas Future") ziemlich gelungen. Songs wie "Time For Change", "Idlewild", "Fairytales", "Bad Sharon" und "Soul Transmission" sind meiner Meinung nach sehr stark. Und auch die Bonus Tracks der Deluxe Edition sind hörenswert.
Also 2 Sterne sind auch von außen betrachtet definitiv zu wenig. Nicht jeder muss es mögen, aber man muss anerkennen, dass es für nicht-Fans zumindest ein solides Cover und Poprock Album ist.
Für mich persönlich ist es allerdings mehr als solide, da es eben nicht ein langweiliges Weihnachtsalbum ist
Liest sich eher wie 3. Aus Respekt vor meiner Schwester auch von mir kein böses Wort. RW unhatebar.
Krasse Plattencover-Inception, ey!
Also ich muss eine Lanze für das Album brechen. Als das was es schlussendlich ist, eine versöhnliche Weihnachtsplatte, ist es mMn perfekt. Über die Länge mag man streiten, über Guy Chambers Handwerk und Williams' Stimme hingegen weniger - das ist alles Spot on. Zudem ist "Time For Change" eine Nummer die es in solch einer weihnachtlichen Reinkultur seit Jahren nicht mehr gab, schon jetzt ein Evergreen.