laut.de-Kritik
Die Platte zum erfolgreichen Podcast.
Review von Giuliano BenassiSeit Juli 2019 betreibt der ehemalige Sänger von Led Zeppelin einen Podcast mit dem sprechenden Titel "Digging Deep". Kurzweilig schürft er tief in seiner musikalischen Vergangenheit und erzählt in jeder Episode Anekdoten zu einem ausgewählten Stück. "Jeder hat einen Back-Katalog. Als Künstler neigt man dazu, sich nur mit den bekanntesten Titeln zu befassen. Ich habe mir aber auch die anderen vorgenommen und über einige davon gestaunt", so Plant im Trailer zur ersten Staffel. Eine Vorgehensweise, die offenbar Erfolg hatte, sowohl bei Plant als auch bei den Zuhörern: Bei der Veröffentlichung des vorliegenden Rückblicks ist Staffel drei gerade zu Ende gegangen. In den ersten zwei Jahren hat Plant 17 Stücke vorgestellt.
Wer sich bahnbrechende neue Erkenntnisse erhofft, wird allerdings enttäuscht. Geschickt umschifft Plant gefährliche Klippen wie sein Verhältnis zu Led Zeppelin-Gitarrist Jimmy Page oder seine Exzesse in den wilden Siebzigern. Er präsentiert sich demütig als Entertainer, der stets von hervorragenden Musikern umgeben war. Dass seine musikalische Reise nach der Auflösung der Über-Band 1980 so vielfältig und bereichernd war, erstaune ihn selbst. Immerhin habe es bis in die 1990er Jahre gedauert, um den "Lemon Song", eine Anspielung auf einen Zeppelin-Klassiker, hinter sich zu lassen. Kenner wissen allerdings, dass er sich genau dann wieder mit Page zusammentat, erst für eine Tour, dann sogar für ein Album. Die Beziehung zwischen den beiden bleibt kompliziert. Dennoch verliert Plant keine bösen Worte, weder über ihn noch über andere.
In dieser Zusammenstellung spielt Page so gut wie keine Rolle. Während Plant im Podcast auch Stücke von Led Zeppelin ("Achille's Last Stand" und "Battle Of Evermore") vorstellt, sind hier nur solche aus seiner Solokarriere zu hören. Page tritt als Studiogast in "Heaven Knows" von 1988 auf, das wars. Dass es sich dabei um eines von Plants schlimmsten Stücken handelt, 80er-Jahre-Pop mit Streichern aus der Konserve, dürfte kein Zufall sein.
Was auch auffällt: Hits sind keine dabei. Was daran liegt, dass Plant seit Beginn seiner Solokarriere keine hatte. Die einzige Ausnahme bildete "Sea Of Love", die Coverversion eines Rhythm And Blues-Stücks, auf dem sich Plant 1984 unter anderen von Jeff Beck, Page und Nile Rodgers begleiten ließ und das Platz drei der US-Single-Charts belegte. Doch auch dieses Stück (aus der EP "The Honeydrippers") ist hier nicht vertreten.
Das ist kein Makel. Plants musikalische Reise prägten stets Neugier und die Lust auf Abenteuer. Immer wieder hat er sich mit neuen Musikern umgeben, sein Repertoire überarbeitet und die Kreativität genossen, die entsteht, wenn man Profis aus verschiedenen Genres freien Lauf lässt. Dabei hat er die Gabe, jene Überraschungen mitzunehmen, die sich unterwegs ergeben. Nach einem Konzert mit Alison Krauss entstand ein bejubeltes Album (das hier ebenfalls nicht vertreten ist, auch wenn er im Podcast zu "Nothin'" ausführlich darüber erzählt), während der Tour dazu freundete er sich mit Gitarrist Buddy Miller an, der sein nächstes Album produzierte. Bei dem Patty Griffin mitsang, mit der Plant dann einige Zeit liiert war, musikalisch wie romantisch.
So unterschiedlich die Stücke aus vier Jahrzehnten klingen, haben sie doch einiges gemeinsam: Plant röhrt auch mit 70 noch fast so schön wie mit 20. Schlagzeug und Percussion spielen eine zentrale Rolle. Gegen ein Gitarrensolo, das den Hörer an die Wand nagelt, ist nach wie vor nichts einzuwenden. Elemente, die auch Led Zeppelin beschreiben, doch klingen Plants Solomühen wesentlich entspannter, als müsse er keinem mehr etwas beweisen. Was vermutlich daran liegt, dass er als alleiniger Boss entscheidet, was er tun will und was nicht.
Eine weitere Gemeinsamkeit zu Led Zeppelin ist die Liebe zum Detail bei der Gestaltung. Nach der zweiten Staffel veröffentlichte Plant auf seinem eigenen Label S Peranza eine Sammlung von acht Vinyl-Singles. Wem es gelingt, die vorliegende Zusammenstellung auf CD zu ergattern, darf sich glücklich schätzen. Sie ist limitiert, in Form eines Büchleins gestaltet, und enthält neben einem Vorwort des Meisters auch detaillierte Angaben zu Aufnahmejahren und mitwirkenden Musikern.
Neben den bereits erwähnten gehören auch Phil Collins, sowohl als Schlagzeuger wie auch als Begleiter von Plants ersten Soloschritten, Cozy Powell, Porl Thompson von The Cure und Richard Thompson dazu, dessen Fairport Convention einen großen Einfluss auf Plant (und Page) ausübten. Im neuen Jahrtausend begeisterte sich Plant für den Bristol-Sound, die meisten seiner Alben seit 2002 vermischen Rock und Trip Hop mit nordafrikanischen Elementen. Seit den 1970er Jahren reist Plant regelmäßig nach Marokko und lässt sich dort inspirieren, in seiner Begleitband spielen Musiker von Portishead und Massive Attack.
Auch vertriebstechnisch ist Plant auf dem Laufenden. So deckt sich die Tracklist dieser Zusammenstellung nicht mit der des Podcasts. Wer möchte, kann sie streamen, genauso wie den Podcast selbst. Zwar verwundert es, dass starke Solostücke wie "Monkey" (ein Track der Band Low) oder "Tin Pan Valley" nicht vertreten sind, dennoch bietet sie Auszüge aus jeder der acht Platten unter eigenem Namen. Dazu auch drei noch nicht veröffentlichte Stücke: Die seichte Ballade "Nothin' Takes The Place Of You", die Plant mit Miller 2013 für einen Soundtrack aufnahm, "Too Much Alike" mit Griffin als Hauptsängerin sowie "Charlie Patton Highway (Turn It Up, Pt. 1)" als Vorgeschmack für das Album "Band Of Joy Volume 2", das Material aus den Session zu "Band Of Joy" (2010) enthält und in absehbarer Zeit erscheinen soll.
Neben neuen Podcast-Folgen hat Plant also noch einiges vor. "Es rumpelt und raucht gerade alles Mögliche, links, rechts und in der Mitte", erklärte er in einem Interview im Sommer 2020. Konkret ging es um eine Aussage von Lucinda Williams, die berichtet hatte, mit Plant, Krauss und Produzent T Bone Burnett im Studio gewesen zu sein. Durchaus denkbar also, dass tatsächlich noch ein Nachfolger zu "Raising Sand" erscheint.
Die Zeit für Bilanzen sei noch nicht gekommen, so Plant, auch wenn er sich mit seinem Werdegang zufrieden zeigt: "Es war nicht immer ein Spaziergang, aber ich war stets in guter Gesellschaft. Das ist das größte Geschenk, das ich mir wünschen kann." Eine Einschätzung, die diese Zusammenstellung bestätigt.
1 Kommentar
unspektakulär, aber gut.