laut.de-Kritik

Nach der Therapie kommt die Lust aufs Leben.

Review von

"Wir Sind Am Leben" steht ganz im Zeichen der Genesung Peter Plates vom Burnout-Syndrom. Lange Zeit war nicht unbedingt gesichert, ob es auch in Zukunft ein Duo Rosenstolz geben würde. Wer nun befürchtet, das aktuelle Album fungiert womöglich als eine schwierig zu konsumierende, musikalische Therapie, liegt falsch.

Natürlich finden sich zuhauf Auseinandersetzungen mit der zurückliegenden, schweren Zeit. Doch Rosenstolz schauen unbeirrt nach vorn, begleitet vom Prinzip Hoffnung und der Lust aufs Leben.

Von vielen Fans heiß geliebt, von anderen bestenfalls ertragen: Plates Solosongs. Mit "Mein Leben Im Aschenbecher" gelingt ihm 2011 aber ein Toptrack, bei dem sein Nicht-Gesang einfach nur prächtig funktioniert. Oft lässt der Song jene willkommenen Ecken und Kanten aufblitzen, die besonders das Rosenstolz-Frühwerk auszeichnen.

"Jetzt lieg ich im Aschenbecher / mir ging es wirklich schon besser / doch was mir bleibt, ist die Glut / und was mich treibt, ist der Mut"", lautet die treffliche Umsetzung seiner Befindlichkeiten, und schließt mit der Erkenntnis: "Das Leben bleibt lebenshart". Musikalisch als gewitzter Pop-Schlager mit ernsthaftem Hintergrund konzipiert, hinterlässt die Nummer sattes Wohlgefühl im Bauch.

Die Vorabsingle "Wir Sind Am Leben" befasst sich ebenfalls mit der jüngsten Vergangenheit. Manchmal gehts eben nicht alleine, doch AnNa hilft: "Und hast du dich verlaufen / ich bin da / bring dich nach Hause". Dramaturgisch als klassischer Rosenstolz-Song gestaltet, catcht die Nummer dank effektvollem Aufbau, betörenden Harmonien und einer wohldosierten Prise Pathos. Die fröhliche "Überdosis Glück" erfährt eine willkommene Ergänzung mittels blitzsauberer Seeed-Bläsersätze.

"Irgendwo In Berlin" gerät nicht als weitere belanglose Hauptstadt-Beweihräucherung. Hier wandelt AnNa gefühlvoll durch die Nacht, mit stimmigen Piano- und Streicherparts und unwiderstehlicher Melodieführung. "Wir Sind Am Leben" fungiert in manchen Belangen gewiss als persönliche Therapie - für den Hörer erfreulicherweise aber über die komplette Albumlänge ohne zu dick und unglaubwürdig aufgetragene Betroffenheit.

Herz und Seele wollen gestreichelt werden, natürlich, und wie das am Besten geht, davon haben Rosenstolz eine Menge Ahnung. Lange schon hat AnNa nicht mehr so intensiv und mit Power in den Stimmbändern geklungen, wie beispielsweise in der glänzend strukturierten Ballade "Wir Küssen Amok".

Tatsächliche Ausfälle finden sich nicht, allenfalls nicht sonderlich wehtuende Mainstream-Beliebigkeiten wie "E.n.e.r.g.i.e." und "Flugzeug". Der ganz große Meilenstein ist Rosenstolz in der mittlerweile dritten Karrieredekade zwar (noch) nicht gelungen. "Wir Sind Am Leben" erweist sich jedoch als überdurchschnittliches Album, das viele geschätzte Qualitäten der beiden Berliner bewahrt.

Trackliste

  1. 1. Wir Sind Am Leben
  2. 2. Überdosis Glück
  3. 3. Lied Von Den Vergessenen
  4. 4. Sprachlos
  5. 5. Mein Leben Im Aschenbecher
  6. 6. Marilyn
  7. 7. Wir Küssen Amok
  8. 8. E.n.e.r.g.i.e.
  9. 9. Flugzeug
  10. 10. Irgendwo In Berlin
  11. 11. Beautiful

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Rosenstolz

Die berühmte Legende "vom Tellerwäscher zum Millionär"? Zum Glück nicht ganz - aber für Rosenstolz fängt es tatsächlich in einer Küche an. AnNa …

58 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Seit einiger Zeit klingt jedes Lied wie das nächste heißt. Die immergleichen Klavierloops, Texte an der Grenze zum banalen Kitsch - Liebe, Sex und Selbstmitleid. In einem Interview sagte Peter, sie hätten zwischendurch das Gefühl gehabt, sie müssten mal völlig neue Wege gehen, aber das sei ja Quatsch, Rosenstolz ist Rosenstolz (ist Rosenstolz, jaja). Treffend leider. Ich kann nicht mal sagen, dass ich das, was sie da machen, Scheiße finde, aber es fehlt an echten Highlights und eben irgendeiner Form von Weiterentwicklung. Ich finde WIR SIND AM LEBEN sogar schlechter als den Vorgänger (allein das Artwork ist wenig ambitioniertes ein Einerlei-Ersatzimitat vom Feinsten), den ich auch schon nicht mehr so dufte fand. Im Grunde identisch, aber noch mehr Hang zum Romantik-Schlager. (Die hier gelobten) Zeilen wie "Ich lieg im Aschenbecher" kann ich echt nicht mehr hören.
    Und kann trotzdem nicht weniger als 3/5 vergeben und NETT resümieren. Dass NETT die kleine Schwester von SCHEISSE ist, will ich zu meiner Verteidigung trotzdem noch einstreuen... ..
    3/5

  • Vor 9 Jahren

    Die review hört sich für mich irgendwie besser an als 3/5.
    Vor allem, da es heißt, es wäre ein überdurchschnittliches Album. Doch der Mittelpunkt und somit auch der Durchschnitt auf einer Skala von 1-5 ist nun einmal 3.
    Wo ist da die Logik?