laut.de-Kritik

Rockpuzzle mit Streichersamples, Sägegitarren und HipHop-Teilchen.

Review von

Wer ist eigentlich Russell Simins? Keine Ahnung? Nicht schlimm: denn Simins ist Schlagzeuger. Und dass Schlagzeuger in der Regel nicht das öffentliche Publikumsinteresse auf sich ziehen, das sie vielleicht verdienen, davon weiß nicht nur ein Bill Berry zu berichten (wo trommelte der noch gleich?), sondern auch mein geschätzter Kollege Dobler. Nun drängt also dieser Simins nach dem "public place" an der Bühnenfront und macht dabei eine recht gute Figur.

Im wahren Leben ans Drumkit der Jon Spencer Blues Explosion gekettet, ließ Simins schon als Remixer für Duran Duran oder Stereolab sowie als Chef von "Butter 08" erahnen, dass in ihm ein kleiner Dave Grohl stecken könnte. Los geht sein Debut mit der Single "I'm Not A Model", einem wirren Rockpuzzle aus schrägen Streichersamples, Sägegitarren und Hip Hop-Teilchen. Idealer hätte er den Hörer nicht auf das nun folgende Stil-Potpourri einstellen können.

Wo der Groove bei der Blues Explosion herrührt, wird schnell klar: der Titeltrack "Public Places" rockt wie Olga und für einen Backgroundshouter klingen Simins' Vocals überraschend ausgereift. Bis hierhin wäre ja alles noch vorhersehbar gewesen. Wenn Simins allerdings plötzlich so tut, als hieße er Everlast und mit bezaubernden Akustikgitarren-Popsongs ("Comfortable Place", "No Straight Line") um die Ecke trällert, zeugt das vor allem von gutem Songwriting. Der Beck Catalogue scheint ihm auch wohl vertraut: "Cookies And Cream" folkrumpelt strahlend wie ein "Odelay"-Cover.

Um die Kanalisierung seiner Kreativitätsausbrüche scherte sich Simins nämlich wenig. Weitere Anspieltipps sind "Scope" und "Don't You Believe", die sein HipHop-Verständnis gelungen zur Schau stellen und die wunderbare Außenseiter-Hymne "Jim's Problem", die sofort auf Single gepresst gehört. Schwächen werden dann offenbar, wenn Simins das Gaspedal so richtig unter die Lupe nimmt, wie bei "No 90210" oder dem Punkrocker "World Over", die etwas an Experimentierfreude einbüßen. Von der Jam-Runde mit Beastie Boy Mike D auf "Stay" hätten wir zwar auch mehr erwartet, vom ersten Soloalbum des Jon Spencer-Schlagzeugers hingegen nicht.

Trackliste

  1. 1. I'm Not A Model
  2. 2. Public Places
  3. 3. Jim's Problem
  4. 4. Don't You Believe
  5. 5. No 90210
  6. 6. Comfortable Place
  7. 7. World Over
  8. 8. Feel That Emotion
  9. 9. Scope
  10. 10. Cookies And Cream
  11. 11. No Straight Line
  12. 12. Everything Falls Apart
  13. 13. Stay

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