laut.de-Kritik
Die Ambition eines Rap-Strebers.
Review von Yannik GölzNach dem Trauma ist da immer noch Trauma. Chicagos Saba brach 2017 aus dem Untergrund mit einem Tributalbum über seinen erstochenen Cousin John empor: Er emanzipierte sich von seinem Jazz-Rap-Hintergrund zwischen Chance The Rapper und Noname und machte sich ein Namen als melancholisches Storytelling-Talent. Ein paar Jahre vergingen, noch ein Mitglied seiner Crew PivotGang wurde gewaltsam getötet, und eine Lockdown-Depression tat ihr übriges, eine Rapkarriere möglichst wenig schmackhaft zu machen. "Few Good Things" fühlt sich wie eine zweischneidige Gegenwehr gegen diese Situation an. "I'm just trying to laugh", erklärt er im GQ-Interview. Den eindeutigen Klassiker, den seine Fans wollen, bekommen wir nicht. "Few Good Things" illustriert alle Versuche, wieder an Luft zu kommen.
Entsprechend fällt es auf Anhieb schwer, ein kohärentes Thema aus diesem Album zu gewinnen. Ja, das Trauma hält an, es lebt in vielen Songs, in ihren sonnenwarmen Produktions-Ideen und wehmütigen Refrains fort, aber es findet weniger explizite Worte. Letztes Jahr ging Saba das erste Mal in Therapie und man merkt, dass produktives Umgehen hier vor einem Suhlen im Elend steht. Ergo der Titel: Ein paar Sachen sind ja auch okay. Nostalgie ist so ein Thema, das immer wieder aufpoppt. Leider manchmal in relativ monotonen Formen: "Come My Way" holt Krayzie Bone für musikalisch heimelige Triplet-Flows auf den Track, "A Simpler Time" macht Stoner-Vibes, das auf eine ähnliche Art eindruckslos verstreicht wie die letzten Alben von Cordae und Isaiah Rashad.
"Few Good Things" kehrt immer wieder zu einer Grundlinie zurück, die sich verkopft anfühlt. Vielleicht steckt Saba einfach dieser Ruf nach der Großartigkeit im Leib, diese Fangemeinde, die jedes seiner Alben sofort zum Album des Jahres erklärt und ein bisschen Zunder und Brimborium einfordert. Dadurch entstehen diese Rap-Streber-Songs wie "Still", die objektiv alles richtig machen, ernste Themen anpacken, aber nicht über den Lehrbuch-Ansatz zur Rapmusik hinauskommen. Lines wie "getting sick of the costume, what's the real world?" sind so Momente, die ein kritischeres Publikum bei einem Logic oder einem Chance zurecht zerreißen würden.
Der vermutlich schwerfälligste Moment ist das musikalisch sehr aus der Reihe fallende "Survivor's Guilt". Zum einen, weil der gusseisenharte Trap-Beat zwischen zwei jazzig-leichte Highlights kracht wie eine Abrissbirne in einen Buchclub, zum anderen, weil trotz starkem Flow und cooler Dirty South-Gedenkhook das Gefühl nicht vergehen möchte, es hier mit einer Diätversion von Kendrick Lamars "DNA" zu tun zu haben. Je mehr man drüber nachdenkt, desto mehr teilt dieses Album ein paar der Schwächen des ebenfalls etwas zu groß gedachten "DAMN.". Der hatte aber zumindest keinen komplett uninspirierten G Herbo-Part auf dem Song.
Diese Schwachstellen fallen um so mehr auf, weil dieses Album abseits von ihnen bisweilen absolut fantastisch klingt. Wie erwähnt befindet sich "Survivor's Guilt" zwischen zwei absoluten Highlights: "One Way Or Every N***a With A Budget", der Interlude "Circus" und "Fearmonger" sind die großen Fortschritts-Momente für Saba, zwar kann er immer noch in den Parts seinen großartigen Flow flexen, aber Jesus, die solare Wärme der Instrumentals, der unwiderstehliche Funk-Groove, die bombastischen gesungenen Refrains – warum traut Saba sich nicht etwas weiter in Richtung Pop? Hier zeigt er mehr als einmal, wie gut ihm diese leichtfüßigen Banger stehen, die so viel kurzweiliges Momentum generieren. So könnte er musikalische Variation aufkommen lassen, nicht durch die erzwungenen instrumentalen Ornamente zwischen allen Songs.
"Solider" klingt 1:1 wie Outkast. Und das ist wohl eins der krassesten Komplimente, die man in einem Hip Hop-Kontext geben kann, was? Man spürt, dass er mit der PivotGang im Schlepptau so viel mehr aufblüht als mit ortsfremden Features. "Die a man or live out like the soldiers" singt er hier und wirft einen reumütigen Blick auf Chicago zurück, immerhin lebt er ja in Los Angeles, und erstmals wird sein ambivalentes Zurückschauen auf seine Herkunftstadt greifbar. Ein Blickwinkel, den er im phänomenalen letzten Drittel der Platte ausgearbeitet werden.
"If I had a dollar every time i failed I'd be a rich n*gga" postuliert er auf dem Folgesong "If I Had A Dollar", die musikalischen Details formieren sich erstmals richtig rund um die Kernthese des Songs. Endlich kein aufhübschendes Windowdressing mehr, sondern ein klares Songkonzept, ein klarer emotionaler Kern und alle Maschinen halten vollen Dampf nach vorne. Die Lead-Single "Stop That" macht klar Schiff über die Frustrationen über das Leben in der Musikindustrie, über das Ignoriertwerden. "2012" kommt schließlich nach einer Kelle Melancholie wieder auf die guten Seiten seiner Jugend in Chicago zurück, verflossene Liebschaften, Freundeskreise, mit denen die Sterne es gut meinten.
Man hat das Gefühl, dieser letzte Run an Tracks vermittelt alles, über das die erste Hälfte des Albums inhaltlich etwas herumgeeiert hat. Abgeschlossen wird mit einem ambitionierten Titeltrack mit Black Thought-Feature. Auch wenn er nicht an die Storytelling-Grandiosität von "Prom / King" heranreicht, Jesses, die Produktion, der Beat-Switch, die Verses, das ist ganz großes Raphandwerk. Farbenfroh, emotional, feinsinnig. Nicht alles auf "Few Good Things" fällt so rund und souverän zusammen, wie es das auf "Care For Me" tat, das Album nimmt die selben Themen und führt sie in verschiedene, teils etwas wahllose Richtungen. Aber dass Saba ein MC der ersten Güte ist, lässt sich doch an keiner Stelle bezweifeln. "Few Good Things" scheint ein notwendiger Schritt der Verarbeitung sein.
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