laut.de-Kritik
Kaum greifbar fließen Melodien durch zerklüftete Beats.
Review von Sven KabelitzNicht selten steigert ein gut gemachter Trailer die Erwartungen an einen Film ins solch atemberaubende Höhen, dass das folgende Kinoerlebnis kaum noch die Chance hat, an diese heran zu reichen. Im ersten Moment bleibt nicht selten Enttäuschung zurück.
Eben diesen Fehler machte ich nun mit Samaris, in dem ich die Kritik zur ihrer selbstbetitelten EP-Sammlung vor einem Jahr damit beschloss, das man mit dem Longplayer-Debüt Großes erwarten kann. Von Monat zu Monat steigerte sich die Vorfreude auf "Silkidrangar". Kein Wunder also, dass das Album meine Hoffnungen zuerst nicht erfüllen wollte. Dabei bin ich nur in meine selbst gestellte Falle geraten.
Denn im Grunde hat sich nicht viel verändert. Noch immer erinnert die Stimme der Sängerin Jófríður Ákadóttir an eine von ihrer überzogenen Theatralik befreiten Björk. Noch immer prallen Kári Steinþórsson skelettierte Trip Hop-Beats auf Áslaug Rún Magnúsdóttis Klarinette. Weiterentwicklung fand nur in der Form von Feinjustierung statt. Wer aber wie Samaris in solch jungen Jahren bereits über ein solch signifikantes Soundsystem verfügt, kann sich dies leisten.
Den deutlichsten Wandel zu "Samaris" findet sich in der Atmosphäre von "Silkidrangar". Unverkennbar robuster als bei ihren bisherigen Aufnahmen und pechfinster leitet die Band mit "Nótt", zu deutsch "Nacht", selbige mit Ambient-Strukturen ein und lassen uns bis zum Ende des Albums nicht mehr aus ihr entkommen. Kaum greifbar fließt das hypnotische und bittersüße "Ég Vildi Fegin Verda" durch zerklüftete Beats.
Wie eine Undine besingt Ákadóttir in "Lífsins Ólgusjór" zu Blasen werfenden Synthesizern und wiederspenstigen Dub-Einflüssen das stürmische Meer des Lebens, das auf "Silkidrangar" immer wiederkehrende Element. Über behutsame Wellen schippert die minimalistische Ambient-Nusschale "Hafið" (Ozean) einsam und verloren durch die Finsternis.
Doch erst die beiden finalen Tracks verdeutlichen die Möglichkeiten die in Samaris schlummern. Wie in einem gespenstigen Alptraum rumoren Drum-Patterns und zu einer nörgelnden Fratze verzogene Synthesizer durch das Spukschloss "Hrafnar", während Ákadóttir durch die verschlungenen Gänge irrlichtert. "Vögguljód" beginnt mit bedrohlich Bässen, und elektronischem Rauschen, bevor die Stimmung komplett kippt. Von Klarinetten, Flöten und weiteren Holzblasinstrumenten umworben, singt Ákadóttir ein verzauberndes Wiegenlied. Diese beiden letzten eindringlichen Songs sollten den weiteren Weg für Samaris weisen.
Vor dem Olymp der Entrückten angekommen gelingt der Band mit "Silkidrangar" zwar noch nicht das Album des Jahres, aber ein betörend andächtiges und kauziges Debüt. Auf einem schmalen Grat verbinden sie ihr isländisches Erbe mit dem Leben, der Natur und der Moderne.
2 Kommentare mit einer Antwort
Sehr gute Band, auch wenn der Gesang stellenweise wie eine 1:1 Kopie der Björk aus Sugarcubes oder noch älteren K.U.K.L. Zeiten klingt. Ich behaupte mal so in den Raum, dass es ohne Björk viele andere isländische Bands, so wie es sie heute gibt, nicht geben würde.
Deshalb halte ich es für falsch, Björk eine "überzogene Theatralik" zu unterstellen. Umgekehrt könnte man natürlich auch behaupten, dass Frau Jófríður Ákadóttir einfach nicht die stimmliche Dynamik und den Stimmunfang einer Björk Gudmundsdottir erreicht
Ich finde Björk sollte auch ruhig mal isländisch singen.
Silkidrangar findet sich auf Platz 4 in meiner Liste der Alben des Jahres.