laut.de-Kritik
Im Bett mit Kim Gordon und Karen O.
Review von Laura WeinertWütende Frauen sind schön. PJ Harvey ist schön, Alison Mosshart ist schön, Kim Gordon ist schön. Skin ist schön, Karen O ist schön, Courtney Love war mal schön. Nun bekommt die Clique Zuwachs. Ein Londoner Damenquartett pocht an die Tür der Wütenden und Schönen. Zunächst müssen sie sich beweisen. Aber ihre Chancen sind gut: Savages sind roh, kratzbürstig und wahrscheinlich können sie auch ziemlich laut rülpsen.
Sie steigen ein mit einem fiesen Kreuzverhör, vielleicht die Audiospur einer knackenden Filmsequenz. Die rauchige Stimme einer 56-jährigen Frau fragt ungeduldig nach dem Alter des Gesprächspartners. Dahinter quieken und schreien die ersten Gitarren. Die Antwort erfahren wir nie. Savages kommen uns zuvor und eröffnen ihre krachenden 38 Minuten Debütalbum mit einem treibenden Basslauf – Sonic Youth lassen grüßen. Savages Antwort auf die permanente Erreichbarkeit der modernen, lauten Welt? Einfach mal die Fresse halten.
Was die Attitude hinter dem Album angeht, so machen Savages noch vor dem ersten Ton eine ziemlich klare Ansage. "Don't let them fuckers get you down", ist rund um die CD gedruckt. An anderer Stelle, im Video zu "Shut Up" fordern sie die Rückbesinnung zu einem "angry young tune". Den schleudert Sängerin Jenny Beth dem Hörer kieksend und schreiend, flehend und kreischend um die Ohren. Sie ist heiß ("Husbands"), kalt ("I Am Here"), und bärenstark ("She Will") wie einst Karen O zu Zeiten von "Fever To Tell".
Dahinter vermöbeln drei Tierinnen die Instrumente. Luft holen ist schwer - höchstens das rein instrumentale, metallisch klopfende "Dead Nature" gebietet einen wertvollen Moment der Ruhe. Doch der währt nicht lang. "Hit Me" ist ein unaufhaltbarer Wirbelwind, schrammelig und trashig. Gerade hier bleibt die Energie auf der Strecke. Der Track verkommt zu ödem Brei. Etwas leiser hätte lauter gewirkt.
"Strife" macht es besser. Melodisch, von mittlerem Tempo und gefährlich brodelnd. Hier betont das Londoner Quartett seine Stärke, die sich über große Strecken des Albums bemerkbar macht. Denn Savages schlagen sich wacker durch Liebe ("City's Full") und Sex ("She Will"), durch Schmerz und bitteren Hass.
"Silence Yourself" ist so instinktiv wie animalisch, laut und krachend. Savages halten den Spannungsbogen und zaubern zum Ende gar eine ungeahnte und angenehme Überraschung aus dem Hut. "Marshal Dear" versinkt in einem sanften Saxophonsolo. Das hat den Blues. Der letzte Tropfen Energie ist aufgebraucht. Savages brechen in sich zusammen und legen sich nieder, wo sie hingehören - ins Bett zu den wütenden, bemerkenswerten, schönen Frauen.
4 Kommentare
Hat aber lange gedauert. Die Saengerin dreht total durch, das kommt schon gut rueber. Alles wie Joy Division in komplett manisch und verzerrt. Der Filmausschnitt am Anfang des ersten Stuecks stammt aus einem John Cassavetes-Film, ich weiss nicht mehr genau welcher, der, in dem Gena Rowlands Selbstzerfleischung betreibt, das koennten also.. ah, 'Opening Night'.
Geiles Album, absolut unterirdische Einleitung. Rest der Rezension geht klar.
Dachte ebenfalls schon, dass die Savages unter lauts Radar fliegen würden. Kritik finde ich gelungen, ebenfalls bis auf die merkwürdig unreife und unwitzige Einleitung.
Das Album ist düster, mitreissend und der stellenweise herrlich breite Akzent der Sängerin setzt dem ganzen das Indiegirlkrönchen auf.
schoen dass sie doch noch laut.de´s aufmerksamkeit bekommen haben. schon lang keine rebellischen maedchen gehoert. und erst recht keine die so eine einfache (schon allein die namen der titel) und gleichzeitig geniale platte abgeliefert haben.
5/5