laut.de-Kritik
Karibik-Pop im Wartezimmer.
Review von Kai ButterweckDas letzte Ausrufezeichen von Shania Twain stammt aus einer Zeit, in der man an manchen deutschen Supermarktkassen noch in D-Mark bezahlen konnte. Damals grüßte die Kanadierin vom Gipfel des Country-Pops. Taylor Swift kannte im Jahr 2002 noch keiner. 15 Jahre später verbringt Letztere vermutlich drei Tage in der Woche damit, ihre 15 Grammies auf Hochglanz zu polieren. Shania Twain hingegen ist dieser Tage froh, dass sie überhaupt noch singen kann. Die Sängerin war schwer an Lyme-Borreliose erkrankt. Atmen, sprechen, singen: Alles musste sie neu lernen.
Ihr neues Album "Now" zieht endlich einen Schlussstrich unter die Zeit des Leids. Von nun an wird nach vorne geschaut. Die ehemalige Country-Pop-Queen hüpft wieder durchs High End-Studio und beauftragt ihre Sound-Verantwortlichen Ron Aniello, Jake Gosling, Jacquire King und Matthew Koma mit der Herstellung einer groovenden Melange aus Karibik-Pop und Schlager fürs Wartezimmer. Das kriegen die Jungs natürlich spielend hin ("Swingin' With My Eyes Closed").
In der Folge kredenzen die Profis ein harmonisches Potpourri aus poppigem Irish Folk, kantenlosem Country ("Home Now"), Fahrstuhl-Pop ("Light Of My Life", "Poor Me", "Who's Gonna Be Your Girl?") und mit Effekten überladenen Dance-Tunes ("Let's Kiss And Make Up", "Life's About To Get Good"). Zwischen den Konservenbeats und sich im Kreis drehenden Allerweltsmelodien finden sich natürlich auch noch die obligatorischen Herzschmerz-Schmachtfetzen ("Because Of You", "Soldier"). Zack! Bitteschön! Kein Problem!
Das flutscht alles wie am Schnürchen. Shania Twains Comeback präsentiert sich wie ein reibungslos tickendes Schweizer Uhrwerk. Nichts falsch machen und bloß nicht anecken, könnte man auch sagen. Mit Musik berühren, geht aber anders. Nach 15 Jahren Studioabstinenz und diesem Leidensweg hätte man doch mehr erwarten können.
2 Kommentare
Na ja, bleibt sie eben ein Las-Vegas-Event... obwohl schade, weil vielleicht nichts mehr das Album "Up!" toppen wird...
Nicht so toll, Now. Hab mir mehr erwartet, nach dieser (unerwartet langen) Zwangspause. Zum Zwischendurch-Hören geht es aber noch halbwegs. Ich meine eine Antwort auf die Frage haben zu wollen, warum sie sich überhaupt noch einmal aufgemacht hat, ein Album (mit deutlich angeschlagener Stimme) herauszubringen und dann auch noch eines, was so mittelmäßig vor sich hin dudelt? Sie müsste doch inzwischen genügend Kohle haben, um mit besseren (den besten!) Produzenten zusammenzuarbeiten und mit besserer (bester!) Produktion das Neue anzugehen?
Aber viel wichtigere Frage: Warum hat sich Shania für den Erfolg denn auch so gequält? Das muss doch nicht sein! Vielleicht war das mit ihrer Erkrankung eben auch eine Art Zeichen: ich brauch dringend mal eine Pause! Ich glaube, Shania war schon ziemlich von Leistung, Erfolg und Geld besessen, wie sie ja in einem Interview selbst zugegeben hat.