laut.de-Kritik

Ein perfekt gefertigtes Räderwerk: Tradition meets Moderne.

Review von

Stefan Hantel klotzt! Nach den Bucovina-Samplern, die er zum überwiegenden Teil mit geremixten Fremdkompositionen bestritt, wagt er jetzt den nächsten Schritt und kredenzt neben ureigenen, selbstgeschrieben Tracks auch schöne Traditionals.

Hierbei gelingt Shantel in einem bislang so noch nicht gehörten Flow die Vermählung von Tradition und Moderne. Schweißtreibende, urbane Dancefloor-Trademarks mit Beats und weitergehenden elektronischen Spielereien greifen nahtlos in altbewährte Arrangements aus Süd- und Südosteuropa.

Wie in einem perfekt gefertigten Räderwerk passen Zähne und Zahnlücken ineinander. Shantel mischt Sprachen und stilistische Ausdrucksformen wie ein Spitzenkoch. Nach einem Urgefühl, das scheinbar unbewusst die Zusammensetzung des Sounds überwacht, dosiert Hantel die passenden Zutaten genau richtig.

Eine Reise durchs Shanteliversum gleicht einem Parforceritt und verdeutlicht vor allem eines: die Allgemeinverständlichkeit von Musik als Sprache. Da spielt es keine Rolle, dass wohl nur die wenigsten Griechisch, Rumänisch und Serbisch gleichzeitig sprechen und wirklich wissen, wovon die einzelnen Vokalisten da schwadronieren.

Der Wirkung der Musik tut dies indes keinen Abbruch. Im Gegenteil. Auch wenn uns da einiges spanisch vorkommen mag, wer nur ein Quäntchen Rhythmusgefühl mitbringt, hat an den 14 hier versammelten Tracks seine pure Freude.

Die vermittelt Shantel über die komplette Spielzeit von 55 Minuten geradezu verschwenderisch. Ob Off-Beat meets Dub-Konglomerate wie "Disko Boy" oder den Beat-Kracher "Disko Partizani" (dem sogar die laut.de-Hip Hop-Fraktion Props gibt), Hantel bewegt sich locker und leicht zwischen den musikalisch scheinbar so unterschiedlichen Polen.

Der Fokus liegt hier auf dem Wörtchen "scheinbar'", denn offensichtlich wächst hier zusammen, was zusammen gehört, selbst dann, wenn Puristen bemängeln, Hantel würde die Originale verhunzen. Derart gelagerte Kommentare dürften auf dem Mist von Korinthenkackern (D), I-Tüpferlreiter (AUT) oder Tüpflischisser (CH) gewachsen sein.

Wer unvoreingenommen an "Disko Partizani" heran geht, entdeckt Kleinode mit einem positiven Pop-Appeal. Mit Anbiederung an den Massengeschmack hat dies freilich wenig zu tun.

Shantels Gäste finden ebenfalls Gefallen an seiner Sound-Definition. Die Prominenz der Feature-Liste spricht Bände: Ruth Maria Renner aka Miss Platnum, Boban Markovics Sohn Marko, Vladimir Kaminers Kumpel Yuriy Gurzhy, Sorin Constantin (Mahala Rai Banda), Filip Simeonov (Taraf De Haidouks), Roy Paci (Manu Chao) uvm. wären sich sicher zu schade, wäre da ein Hanswurst am Werk, der den Original-Sound nicht genügend respektieren würde.

Dem ist aber beileibe nicht so, denn Stefan Hantel greift nicht zum Holzhammer, wenn er mittels Beats und Elektronik eine Feinjustierung der Arrangements und Strukturen vornimmt. Vielmehr zeigt er, wie modern, tanzbar und lebendig Musik klingen kann, die bereits Jahrhunderte auf dem Buckel hat.

Anspieltipps sind neben den straighten Klopfern "Disko Boy" und "Disko Partizani" noch die griechisch gesungenen Stücke "Manolis" (mit monströsen Beats), "Immigrant Child", die Wahnwitzpolka "Andante Levante" und das zum Abschluss ganz prächtig schiebende "Donna Diaspora".

Trackliste

  1. 1. Ceremoney
  2. 2. Disko Partizani
  3. 3. Koupes - I'll Smash Glasses
  4. 4. Disco Boy
  5. 5. Susuleker
  6. 6. Fige Ki Ase Me
  7. 7. Sota
  8. 8. Manolis
  9. 9. Andante Levante
  10. 10. Immigrant Child
  11. 11. The Veil
  12. 12. Dubstar Bugarskji
  13. 13. Marko I Shantel
  14. 14. Donna Diaspora

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2 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    Was? Immer noch kein Thread zu diesem Album? Das kann nicht sein!

    Halt, Dead hat einen erstellt, unter anderem Namen:
    --> http://forum.laut.de/viewtopic.php?p=1662953

    Ja, ziemlich was fürs Party-Volk. Sachen wie "Disco Boy" gehen mir ehrlich gesagt einen kleinen Tick zu sehr in Richtung Madonna. Trotzdem kann ich das Album gut einen Tag lang rauf und runter hören.

    Was ich eigentlich sagen wollte: Habe seit einiger Zeit "Go, Marko, Go", das erste Album, das offiziell unter "Boban i Marko Markovic Orkestar" läuft. Nebenbei: Laut CD-Cover müsste der Name eigentlich "Marković" sein. Da kann man deutlich nachhören, welchen Einfluss Marko M. auf Disko Partizani gehabt haben muss. Also wem der Shantel-Output gefällt, sollte da mal unbedingt reinhören.

    Oder auch den Film "Guča" anschauen.