laut.de-Kritik

Das ist ein Schnellhefter für die Singles, aber kein Buch.

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Eigentlich beeindruckend, dass Ski Aggu neben seinem Hauptjob als Politiker und seinem Nebenjob als hocheffiziente Meme-Maschine überhaupt noch zum Musikmachen kommt. Tut er laut eigener Angabe auch kaum: Im Aria-Interview meinte er unlängst, er mache höchstens mal alle zwei Monate einen Track. Auf seinem Debüt "2022 War Film Gewesen" hat die Mischung aus Spontanität und Entertainer-Genie auch wunderbar funktioniert. Für sein zweites Tape ändert er die Formel deshalb nicht. Was herauskommt, bleibt stabil – aber vielleicht ein wenig zu stabil.

Erstmal ist die Ahnung, dass er nicht für immer mit dieser Formel arbeiten kann, aber hinfällig. Wir sind nicht im für immer, wir sind im hier und jetzt, Aggu ist nach eigener Aussage 19 und hat alle Zeit der Welt, seine unregelmäßigen Single-Drops ab und zu zu diesen Alben zusammenzubauen. Die wirken dann aber weniger wie gebundene Bücher und mehr wie ein Schnellhefter, in den man alle Blockseiten der letzten Monate eselohrig und angefressen vor dem Zerstäuben in alle Winde schützt.

Grundsätzlich gilt hier deswegen erstmal: Wer weiß, wie Ski Aggu klingt, weiß, wie dieses Projekt klingt. Kern ist immer noch elektronische Rummelbums-Elektronik, die im Gegensatz zu Kollegen wie Finch aber immer ein bisschen zu trübselig und getragen klingt, um wirklich Kirmes-tauglich zu sein. Aggu rappt dann eine Mischung aus realen Gedanken und Bad Bars mit diesem Zoned-Out-Charme, als würde da ein hinterhältig cleveres Stoner-Hirn Freestyles durch den Halbschlaf pumpen. "Ich bin Romantiker wie Buchläden", "weil mein Clubbesuch aus Dielen besteht wie Fußboden" oder "du lässt mich erst mal ziehen wie einen Tee". Sowas, halt.

Vielleicht bin ich ein elendiger Hipster und mein Geschmack lenkt mich intuitiv gegen die Hypes, aber trotzdem kommt es mir so vor, als würde er sich ein bisschen schwerer mit den Songs tun als zuvor. Sein "jeder Song wird gedroppt"-Single-für-Single-Output hat eben doch das Problem, dass er ein wankelmütiges Publikum bei der Stange halten soll. Entsprechend oft gibt es diese transparenten Momente, die offensichtlich ein Meme oder eine TikTok-Zeile prägen sollen. Besonders offensichtlich der komische "Vokuhilas sind kein Verbrechen-Outro auf "Gensehaut" oder der gewollt lustige Verse von Berliner DJ Shoki, die eigentlich ziemlich cool flowt, aber an die Witzigkeit ihrer Lines so wenig glaubt, dass sie sich permanent selbst einen Laugh Track adlibt. Bei zwei Songs mit "Rizz" im Refrain fragt man sich das auch, wo die Grenze zwischen 'der spricht halt so' und 'da wird offensichtlich auf ein gerade virales Meme draufgesprungen' liegt. Wahrscheinlich ist sie schwammig.

Es ist eh müßig, über Authentizität zu sprechen, denn wer könnte jemals sagen, was authentisch oder nicht ist in so einem Fall; trotzdem muss man einfach feststellen, dass wir jetzt beim zweiten sehr kurzen Tape sind, Aggu soweit auf seinem kommerziellen Peak und viele seiner Songs sich in Sachen Attitude und Gestaltung doch sehr ähneln. Man freut sich über eine Mitgröl-Hook von $oho Bani, ein halsbrecherischer Beat auf "Mietfrei" oder das unglaubliche "Friesenjung", das Party-Starter, Genre-Liebesbrief und Comedy-Song so nahtlos ineinander gehen lässt, dass es fast unfair ist, wie gut das funktioniert. Ohne Frage eine verdiente Nummer Eins und wahrscheinlich die beste in Deutschland dieses Jahr.

Aber was macht er abseits der Singles? Vor allem ist er horny. "Shu Madame", "Angefickst" und "Negativer Rizz" sind Songs über sein Liebesleben, die nicht unbedingt hätten sein müssen. "Du bist zwischen deinen Beinen klitschnass / als ob du dich eingepisst hast" muss nicht in einer Hook über einen labbrigen Reggaeton-Beat kommen, danke. Dass er Pop-Crossover kann, hat er doch schon seit Anfang seiner Karriere bewiesen, wozu er dann diese "ou-ou" Schmalzhooks und die Beats von Sira oder Young Mesh braucht, ist nicht ganz klar geworden.

"Denk Mal Drüber Nach" ist essentiell das gleiche Album wie "2022 War Film Gewesen", nur dass es sich überall da ein bisschen kalkuliert anfühlt, wo sein Vorgänger das überhaupt nicht getan hat. Ski Aggu ist auf dem Weg, ein Popstar zu werden und er hat das Zeug dazu. Er ist halt offensichtlich nicht mehr der Berliner Teenie, der nur alberne Rapsongs aus seinem Schlafzimmer veröffentlicht. Da ist offensichtlich eine Maschinerie hinter seiner Musik, da sind Ressourcen und viele Leute, die auf ihn setzen. Vielleicht sollte er sich für kommende Projekte nicht mehr hinter seinem Image verstecken. Da sind die kleinen Nods an Artists wie Tyler The Creator auf diesem Tape versteckt. Man fragt sich; könnte Ski Aggu Album-Artist? Ich halt's nicht für ausgeschlossen. Gerade machen die Singles und die Memes Spaß. Aber die Geschichte hat gezeigt, dass man nur eine Zeitlang auf Süß-Sein, Sympathie und Memes funktionieren kann. Jetzt hätte er das Standing, die Ressourcen und den Moment, um die Welt so richtig zu überraschen. Ich wäre gespannt, herauszufinden, ob er könnte.

Trackliste

  1. 1. Nicht Nachmachen!! (feat. Monk & Longus Mongus)
  2. 2. Broker (feat. Dauner)
  3. 3. Maximum Rizz
  4. 4. Mietfrei (feat. Sira)
  5. 5. Gensehaut
  6. 6. Justin Bieber
  7. 7. Shu Madame
  8. 8. Angefickst
  9. 9. Negativer Rizz
  10. 10. Vodka Soda
  11. 11. Theater (feat $oho Bani)
  12. 12. Kappies Im Slip (feat. Shoki & DBBD)
  13. 13. Friesenjung (feat. Joost & Otto Waalkes)
  14. 14. Mandala

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