laut.de-Kritik
Dieser alte Köter bleibt eine Beißmaschine.
Review von Dani FrommKaum eine Figur im dreckigen Rapgeschäft beherrscht die hohe Kunst der Selbstinszenierung so wie Snoop Dogg. Angefangen bei der protzigen Bilderstrecke im Booklet: Kein anderer dürfte auch nur darüber nachdenken, sich mit ähnlich albernen Kopfbedeckungen und Haartrachten ins Blitzlicht zu wagen, ohne sich instantan der Lächerlichkeit preis zu geben. Dem Doggfather aber passen seine luxuriösen Gangsterboss-Stilleben wie angegossen. Seine Würde resultiert aus unerschütterlicher Selbstsicherheit.
Wechseln wir vom Bild zum Ton: Der Eindruck bleibt identisch. Billig erscheint hier gar nichts. Idee, Ausführung und Gästeliste (Wer hätte ernsthaft etwas anderes erwartet?): vom Feinsten. Das einzige Manko kreidete Kollege Dobler bereits dem Vorgänger "R+G" an, nicht ahnend, damit prophetische Gabe zu beweisen: "Sechs, sieben Tracks weniger, und es gäbe keine schwache Nummer." Mal ganz im Ernst: Müssen es wirklich 21 Stücke sein? (Ich meine "Tracks". Skits und Füllsel sucht man auf "Tha Blue Carpet Treatment" vergebens) Die zehn besten ausgewählt, und man erhielte endlich einmal ein Snoop-Album, an dem man uneingeschränkt seine Freude hätte.
So quäle ich mich durch die überzuckerte "Coffee Sauna" von "Like This", wundere mich über einen ungewohnt flachen, monotonen Auftritt von R. Kelly ("That's That Shit") und frage mich während "Don't Stop", was wohl der Sinn einer Rückkehr zu halbseidenem Früh-90er-Sound sein soll. Doch verstehen wir uns nicht falsch: Snoops Mittelmäßigkeiten knallen zumeist immer noch derber als das Gros des Unsinns, der einem sonst so vor die Trommelfelle schwappt.
"Psst!" bringt mich wieder einmal zu dem Schluss: Ich halte den Vokalisten Jamie Foxx für gnadenlos überschätzt. Als Produzent dagegen macht er eine ausgezeichnete Figur: Snoops Rap und ein wahrhaft grandioser Bass walzen den unglücklichen Gesangspart erfreulicherweise komplett nieder. Wesentlich besser, als sein Ruf es erlaubt, gefällt mir Akon: Zwar wirkt seine Darbietung in "Boss' Life", einer ruhigen, zurückgezogenen, fein ziselierten Nummer fürs stille Kämmerlein, etwas dünn, harmoniert aber dennoch prächtig mit einem ausgeglichenen MC. "Walking on the blue carpet with the doctor": Erstmals seit langem hat Dr. Dre wieder seine Finger im Spiel.
Auch in "I Wanna Fuck You" sehe ich keinen Grund für Akon, gar so weinerlich zu klingen. Das hat doch Hand und Fuß! Dezent blumig wie ein leichtes Parfum wirkt das Instrumental zu einem Track, dessen Titel keinerlei Zweifel an den Zielen der Herren aufkommen lässt. Ein wenig zurückhaltender wäre es zwar auch gegangen, doch immerhin darf sich so niemand nachträglich über verschleierte Absichten beschweren.
Viel zu viele Rapper reihen lediglich Worte aneinander. Snoop dagegen versieht jede Zeile mit einer Melodie. Immer entspannt, tönt er in einem Moment verführerisch und einlullend, im nächsten schon wieder dreckig und hundsgemein. Vorsicht ist stets geboten: Dieser alte Köter bleibt auch in der souligen Kulisse von "Think About It", bei den "Was wäre wenn"-Gedankenspielchen von "Imagine" oder bei fröhlichen Zwiegesprächen mit Stevie Wonder und dem Allmächtigen ("Conversations") eine nicht zu unterschätzende Beißmaschine.
"Bitches, I need your attention: Who wanna ride in a pimped out Cadillac?" Wer würde da nicht "Hier!" schreien, wenn zudem pumpende, clubtaugliche Bässe ins Spiel kommen. Lyrischen Gehalt bietet "Which One Of You" zwar nicht, dafür "just having fun", und das edel und ausgiebig. Nate Doggs Part in "Crazy": Schon fast wieder zu eingängig für meinen Geschmack. Auch hier hievt jedoch ein phänomenal schräger Bass den kompletten Track unter meine Favoriten.
Am allerliebsten sehe ich es aber immer noch, wenn böse Jungs an den Start gehen. Die Neptunes knipsen für "Vato" erstmals nach doch eher freundlichen Einstiegsnummern das Licht aus. Jetzt wirds finster. "You won't believe what I saw." Doch, doch. Cypress Hills B-Real vermittelt ausgesprochen zwingend den Eindruck, es sei gesünder, ihm Glauben zu schenken. Der hypnotische, auf gebetsmühlenartigen Wiederholungen einer Textzeile basierende Beat aus "Candy (Drippin Like Water)" geht auf das Konto Rick Ross'. Die Bässe hier gestalten sich in einer Weise voluminös, dass man sie, noch ehe man sie hört, im Ohr bereits fühlt: Kein schlechtes Fundament für einen energischen Auftritt der Dogg Pound-Recken.
Was haben wir noch? Ein bisschen Timbaland ("Get A Light"), ein bisschen The Game ("Gangbangin 101"). Ice Cube grüßt aus der ganz alten Schule ("LAX"). Während Battlecat vielen einzelnen Klangkomponenten viel Raum gibt, so dass das Resultat, ein Salat aus Effekten, Trillerpfeifen, Sirenen und Gesangsfetzen, trotz seiner Reichhaltigkeit stets übersichtlich bleibt, setzen Pharrell Williams und Chad Hugo auf gewohnt breitflächigen Sound. Auch, wenn der in "10 Lil' Crips" extrem intelligent konstruiert wird, stelle ich fest: Der Neptunes-Ästhetik bin ich inzwischen doch sehr überdrüssig.
Die unterschwellige Bedrohung, die Dr. Dre in "Round Here" kreiert, trifft meinen Nerv dafür um so heftiger. "It ain't safe to leave the house", werde ich gewarnt. Doch auch vier Wände bieten hier wohl nur trügerische Sicherheit. Zentimeterdick und teuer: Snoops blauer Teppich. Mr. Broadus hat seinen Stil bereits vor Jahren gefunden. Er hat der Welt alles nötige bewiesen. Arroganz? Nein! Wer einen Kopf größer ist, trägt die Nase automatisch weiter oben.
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