laut.de-Kritik
Hier gelten die Gesetze der Bibeltreue, der Sozialkritik und des kollektiven Prangers.
Review von Karim ChughtaiEigentlich unfair. Obgleich man sich der musikalischen Klasse einer neuen Söhne Mannheims-Veröffentlichung voll bewusst ist, überwiegt trotz alldem dieses beunruhigende Gefühl des scheltenden, bald zu erhebenden moralischen Zeigefingers. Und wenn die Soul-Missionare auch noch auf die Barrikaden von Eden gehen zu wollen, ist dieser intuitive Pessimismus nicht unbegründet.
Obwohl die Mannemer Crew ihren Kahn eigentlich entlang sanft anmutenden, gemächlichen Pop-Soul-Ufern schippert, scheint stets ein Sog trübseligen Elends seine 14 Passagiere in zwar seichte, aber doch dunkle, triste Gewässer zu zerren. Dort, in den Strömen von Eden, gelten die Gesetze der Bibeltreue, der Sozialkritik, der Gefühlsakzentuierung und des kollektiven Prangers.
"Meine Wut ist eingeweicht, meine Liebe hat ausgelaicht ... Heute Nacht gehen wir auf die Barrikaden, die Barrikaden von Eden", erklärt der Opener mit Gabba-Happy-Hardcore-Billo-Beat der Marke HGich.T als Hook. Eine merkwürdige Räuberleiter für die Erst-Besteigung.
Dagegen tradiert, wie es das Familienunternehmen seit jeher hegt, wandert "Ist Es Wahr (Aim High)" auf routiniertem Balladenkurs, mit Background-Chor und Piano-Note, den Zustand des Landes in Frage stellend. Ähnlich melancholisch, depressiv rühren "Dir Gegenüber Stehn", "Lonely", "Wenn Ich Die Liebe Nicht Finde", "Für Dich" in verflossenen bis hin zu aktuellen Beziehungsdramen. Alles leicht weinerlich an der Grenze überbetonter Gefühlsduselei.
Allerdings können die Söhne verschiedener Mütter auch anders. Mit "Hier Kommen Die Söhne" geben sich dynamische Drums mit der Streicher- und Bläserabteilung ein Stelldichein, dass Sprechgesang und dezente Scratches nur zu gerne abklatschen. Auch die Abrechnung mit dem gesamten Bankwesen ("Wir") oder auch das gefühlvolle Liebesgeständnis ("Oben Oder Unten") brillieren, auch textlich.
Leicht plump fallen dagegen Zeilen der deutschen Braveheart-OST-Version "Freiheit" oder des eigentlich schön arrangierten "Ich Lern Was Über Dich" aus ("Halle Berry hat sechs Zehen, aber trotzdem ist sie wunderschön. Reinold Messner hat nur drei Zehen, aber trotzdem musste er weitergehn"). Auch die ab und an aufdrehenden Verstärker, für eine 80er-Rock-Pose des "Neustart" oder als weinende Jimi Hendrix-Saiten in "Kill All Psychopaths" wirken eher ideenlos.
Auf den Barrikaden von Eden ist trotzdem alles wie immer gesanglich hervorragend dargeboten, inhaltlich stellenweise tief- wie scharfsinnig, als auch musikalisch gewohnt topp instrumentiert bzw. orchestriert (vom Deutschen Filmorchester Babelsberg). Eigentlich nichts zu mäkeln.
Trotzdem plätschert das Album einfach zu schwach vor sich hin. Kein Song findet rettenden Halt an einer Synapse, bevor er fortgespült wird. Zu sehr ähneln sich die Themen-, Klang- und Gefühlswelten. Auch ein hier und da englisch singender Xavier Naidoo macht die gesamte Sache nicht abwechslungsreicher, eher befremdlicher.
Die Söhne Mannheims bleiben ihrer Familientradition eben treu. Das ist nicht schlecht. Eigentlich.
20 Kommentare
Es gibt kaum eine Band die mich allein durch ihre pure Existenz dermaßen zum Kotzen bringt...
Word! Ich versuche, jeder Musikrichtung und Band erstmal neutral gegenüber zu stehen. Verschiedenste Stile höre ich. Je nach Stimmung Jazz, Pop, Metal Klassik, HipHop, Elektro, alles , aber bei Naidoo und den Söhnen muss ich immer abschalten...:(
Mal sehen, wie die neue CD ist
Die Söhne sind eine Ausgeburt der Hölle - was bei vielen Bands ein Lob ist, bei denen aber nicht
Diese unsägliche neue Single zerrt an meinen Nerven, und es tut mir in der Seele weh, dass der H-Blockx Mensch einfach zu wenig Kohle in seiner Karriere gemacht hat, und sich nun auch diesen Sängerknaben angeschlossen hat.
Meine Wut ist eingeweicht, meine Liebe hat ausgelaicht.
Damit ist eig. schon alles gesagt, im Namen des Vaters, des Sohnes... ach ich kann die MistKapelle einfach nicht leiden.
Ich find übrigens nicht, dass man ein Album besser bewerten muss, nur weil das musikalische solide ist. Kacke schmeckt auch nicht besser nur weil sie mit Bratwurst serviert wird.
@Swingmaster Jazz
Wieso sollten wir hier fachlich bleiben? Wir sind ja keine Rezensenten.
Ausserdem: Für mich hat Religion in der Unterhaltungsbranche halt nichts verloren, besonders in dieser fast schon Propaganda-artigen Form.
Und wenn bereits die Hypokrisie der Vorab-Single heftigen Brechreiz bei mir auslöst muss ich auch nicht mehr hören um zu wissen, dass mir das Album nicht gefällt.
Religion hat in dieser Form auch in keiner anderen Branche was verloren.