laut.de-Kritik
Intime, fragile Pop-Songs mit Herz.
Review von Artur Schulz"Paper Walls" ist ein treffend gewählter Titel für das neue Album der Münchener Künstlerin Somersault. Ihre Songs verstecken sich nicht hinter steinernen, unzugänglichen Mauern, sondern schimmern verheißungsvoll hinter durchscheinenden, transparenten Papierwänden. Sie sind durchlässig genug, um den vorbeischlendernden Hörer festzuhalten, zu ihm zu sprechen und sich mit ihm auszutauschen – über ganz persönliche Gedanken von Liebe, Träumen, Ängsten und Sehnsüchten.
Der gefühlvolle, zurückgenommene Pop von Somersault ist mit dezenten Folk-Anklängen durchsetzt. E-Gitarren und auch mal energische Schlagzeug-Arbeit lockern die Intimität effektvoll auf. Die Songs wecken mit ihrer Verspieltheit beispielsweise Assoziationen an Sophie Zelmani oder Katie Melua – allerdings nahezu gänzlich ohne deren betonten Jazz-Anstrich. Somersaults einschmeichelnde Stimme beherrscht das Spektrum von hauchzartem Flüstern und Wispern und verzaubert mit Wärme und zerbrechlicher Intensität.
Textlich beschäftigt sich die Künstlerin mit persönlichen Befindlichkeiten und Eindrücken vom Leben – zurückgenommen, aber nie unnahbar. Oft nachdenklich, doch nie schwermütig. "Passing By" zeigt sich als gefühlig-melodische Stimmungsbeschreibung. "Break The Wave" ist ein höchst gelungener, musikalisch heiterer Ausreißer. Luftig-leicht komponiert und instrumentiert gäbe der Song einen symphatischen Sommerhit ab, würde am Ende nicht immer irgendein alljährlich wiederkehrendes, unsägliches 08/15-Gedudel das Rennen in den Charts machen. "I don't wanna write only sad songs", heißt es da augenzwinkernd zu Beginn. Und Somersault macht in diesem musikalisch beschwingten Titel eine glänzende Figur.
Die Texte stehen jenseits jeglicher abgenutzter Beziehungs-, Lebens– und Romantik-Klischees. Somersault taucht eigene Empfindungen und Gefühle in nachvollziehbare, manchmal wehmütige und oft melancholische Lyrics, ohne dabei jemals zu düster oder gar resignierend zu wirken. Trotz aller "Ghosts", die den "Slow Motion Sucide" begleiten. Denn auch verborgen unter dem Schnee können schließlich "White Flowers" blühen. Und doch fürchtet sich Somersault manchmal vor allzu viel Nähe und bittet um Verzeihung: "Please don't wake me/I'm sleeping a bit/I'm so tired of the fears in me/Don't come closer/I'll burn you down", heißt es in "Not In This World".
Die drei Alben-Produzenten Andreas Herbig, Jörn Heilbut und Stephan Gade erweisen sich nicht als die berüchtigten vielen Köche, die den Brei verderben. Im Gegenteil. Sie haben behutsam und mit viel Fingerspitzengefühl Somersaults Songs in transparente, klare und saubere Arrangements gelegt, die niemals überladen wirken: Cello, Streicher, Akustik-Gitarre und all die anderen Zutaten wirken harmonisch zusammen. Die Lyrics auf dem mit Sitar-Sounds unterlegten "Ghosts" erarbeitete Somersault gemeinsam mit David Rowntree (Blur) und Mike Smith (Gorillaz).
Das besondere Schmuckstück hinter den "Paper Walls" ist als – gottlob nicht zu versteckter – Hidden Track am Ende des Albums verborgen: Eine Piano-dominierte, eindringlich-verliebte Traummelodie entlässt den Hörer mit einem ganz besonderen und berührenden Song-Juwel zurück in den Alltag. Aber nicht ohne den Wunsch, möglichst bald wieder zurückzukehren an diesen wärmenden Ort hinter seinen fragilen Papierwänden. Denn mit Somersault und ihrer unwiderstehlichen Stimme an der Seite bleibt den bedrohlichen Seelen-Schatten keine Chance mehr auf Sieg.
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