laut.de-Kritik
Viele kollektivistische Köche verderben den Brei nicht!
Review von David HilzendegenMit einer Mordssause beging das Sonar Kollektiv-Team sein letztjähriges zehntes Jubiläum. Zehn Tage lang ließen Jazzanova und Konsorten die Plattenteller und Tanzflächen aller möglichen Berliner Clubs heiß laufen. Im Tape-Club präsentierte man dabei einen besonderen Leckerbissen: Ein 15-köpfiges Ensemble, bestehend aus Labelkünstlern und -freunden, die die größten Hits des bekannten deutschen Labels neu interpretierten und arrangierten.
In Windeseile verbreiteten sich die Videos des Auftritts und lösten wahre Begeisterungsstürme innerhalb der Blogosphäre aus. Jetzt, ein gutes halbes Jahr später, werden die Rufe nach einem Album endlich erhört, wenngleich mit Christian Prommer's Drumlesson vor wenigen Monaten bereits eine Platte mit gleichem Konzept erschien, ebenfalls aus dem Hause Sonar Kollektiv.
Nichtsdestotrotz hat "Guaranteed Niceness" definitiv seine Existenzberechtigung. Es ist ein bißchen wie in den goldenen Tagen des Jazz: Während Prommer mit seinen vier Mitstreitern die Tanzmusik für die Sidestreet Clubs spielt, tritt das Sonar Kollektiv Orchester unter der Direktive von Volker Meitz in den großen Konzerthallen auf.
Mit alleine vier Streichern und drei Bläsern klingt das SKO naturgemäß deutlich mächtiger und wuchtiger, zieht gegenüber Prommers Projekt allerdings in Punkto Fahrt den Kürzeren. Das Orchester klingt zwar weniger kantig, aber keinen Deut schlechter.
Gerade bei Stücken wie dem obligatorischen "Rej" sticht das hervorragende Arrangement vor allem der Streicher heraus. Langsam und bedächtig setzt sich der Titel aus seinen Einzelteilen zusammen, bis schließlich eine beträchtliche Soundwand entsteht, die im nächsten Moment schon wieder zusammenstürzt und sich am bekannten Thema des Âme-Klassikers wieder aufrichtet.
Immer begleitet von den athmosphärischen Klängen der Bläser- und der Streichersektion entsteht eine Hörerfahrung, die sich in keinster Weise hinter dem Original zu verstecken braucht. Vielmehr ergibt sich ein völlig neuer Kontext, eine viel wärmere Interpretation, die auf völlig andere Art und Weise zu vereinahmen weiß als die ursprüngliche Version.
Gemeinsam mit "How To Find Royal Jelly" und seinen dezent im Hintergrund gehaltenen, zum Teil beinahe free-jazzigen Trompeten und Flöten, ist "Rej" das einzige vollständig instrumentale Stück der Platte. Die übrigen Titel teilen sich die drei Sänger der Festbesetzung mit weiteren drei Gästen.
Besonders Wilson Michaels - zuletzt als König Mufas auf der Musicalbühne von "König der Löwen" unterwegs - und seine Interpretation von "Boom Clicky Boom Klack" zeigen das glückliche Händchen, dass die Executive Producers Jazzanova bei der Zusammenstellung des Orchesters hatten.
Von ihnen stammt auch das Original, das 2006 als 12" mit einem Mr. Scruff-Remix auf der B-Seite erschien. Die Sonar Kollektiv-Version ist eine Mischung aus beiden, mit den von den Streichern nachgespielten Synthies des Originals und den Percussions des Remixes. Oftmals fehlt es solch ausgebildeten Sängern an der nötigen Schärfe und damit an Wiedererkennungswert. Nicht so bei Michaels, dessen klare und angenehme Stimme über allem schwebt.
Ähnlich verhält es sich mit Esther Cowens, die dem Deyampert-Stück "Held Him First" eine Innigkeit verleiht, die dem Original völlig abgeht. Ein zeitlos schöner Titel, der sowohl bei voller Konzentration als auch im Hintergrund funktioniert.
Das ist gleichzeitig die Stärke und die Schwäche der Platte. Einerseits lädt sie zum darin Versinken ein, zum Träumen und zum Schwelgen, andererseits fehlt ihr hin und wieder der Pepp, die Kante, die sie charakteristischer machen würde. So verkommt sie leider auch beim unbedingten Versuch, sich voll und ganz darauf einzulassen gelegentlich zur nicht weiter beachteten Hintergrundmusik für Gott und die Welt.
Daran ändern auch Sascha Gottschalk, seines Zeichen Sänger von Thief, und Clara Hill nichts. Beide gehören zum Artist-Roster des Labels und beide interpretieren mitunter ihre eigenen Titel "Atlantic" bzw. "Silent Distance" neu. Dabei fällt vor allem Thiefs "Atlantic" relativ schwach aus, zu marginal sind die Unterschiede zum Original.
Nichtsdestotrotz gehört "Guaranteed Niceness" in jede Sammlung eines jazzbegeisterten Hörers. Ob große Konzerthallen oder nicht: Die geplante Welttournee hätte meinetwegen bereits gestern beginnen dürfen.
1 Kommentar
eines der wundervollsten alben der letzten zeit, genieße jeden, aber auch wirklich jeden track!!!!!!!!!!!!!!!
geht bei meiner musiksammlung in die unvergessenen ein!!!!!!!