laut.de-Kritik
Because it is sexy, lazy and doesn't give a fuck.
Review von Laura WeinertIrgendwo müssen sie eine Kreativitätsquelle haben, eine, die niemals versiegt. Seit 30 Jahren veröffentlichen Sonic Youth in regelmäßigen Abständen Alben, ohne wie ein Aufguss ihrer selbst zu klingen. Von Best-Of-Fleischwölfen und anderen Geldscheffelmaschinerien haben sie sich außerdem bisher erfolgreich distanziert.
Schließlich ist das etwas für Altrocker, deren Quelle bereits erschöpft ist. Nun kommt sie aber doch, die Best-Of-Scheibe "Hits Are For Squares". Die Desillusionierung scheint zum Greifen nahe. Doch es wären nicht Sonic Youth, wenn sie einfach ihre verkaufsträchtigsten Hits aufwärmten.
Denn nicht etwa Chartplatzierungen, die Band selbst oder gar die Fans bestimmen die Tracklist von "Hits Are For Squares". Sonic Youth haben Freunde und Kollegen angeheuert, um ein 14-teiliges Puzzle ihrer Songs zu schaffen. Jeder steuert noch einige Zeilen zu seiner Wahl bei, schon strömt durch die Adern einer solchen Zusammenstellung leidenschaftliches Herzblut.
So katapultieren schon die ersten Titel das innere Auge zurück in die schmutzigen 90s-Grunge-Clubs. Sobald die ersten bedrohlichen Töne von "Bull In The Heather" tönen, kramt man im Schrank nach dem karierten Flanellhemd. Spätestens bei "Kool Thing", übrigens gewählt von Radiohead, erfreut man sich an den brachialen Gitarrenwänden, die Sonic Youth 1990 in den Alternative-Olymp trugen. Radiohead bringen den Sound und die Faszination an der Band treffend auf den Punkt: "Because it is sexy, lazy and doesn't give a fuck."
So sagt auch der erlauchten Prominenz die alte Zeit am meisten zu. Einzig "Stones" vom 2004er-Werk "Sonic Nurse", "Rain On Tin" ("Murray Street", 2002) und "Slow Revolution" sind Zeugen des 21. Jahrhunderts. Letzteres feiert auf "Hits Are For Squares" sogar Premiere und ist genau das, was es ankündigt: eine langsame, beinahe psychedelische sechsminütige kleine und leise Revolution. Da steigt die Vorfreude auf einen neuen Longplayer.
Natürlich darf "Teenage Riot" nicht fehlen, der Song, der 1988 den Durchbruch für Sonic Youth darstellte. Eddie Vedder entschied sich für das Stück aus "Daydream Nation" mit den Worten: "Ich komme aus Seattle, aber scheiß auf Kaffee, Vitamine, Bio-Säfte oder Nikotin. Aus meiner Erfahrung bringt dich nichts so auf Touren wie 'Teenage Riot' voll aufgedreht."
Überhaupt findet die Prominenz schöne Worte über ihre Lieblingssongs. Portia de Rossi, Lebensgefährtin von US-Talkerin Ellen DeGeneres, schreibt über "Disappear": "Es hat hypnotische Kräfte. Einmal habe ich es gehört, und als ich aufgewacht bin, trug ich ein Arielle-Kostüm." Schauspielerin Michelle Williams sinniert über ihre Zeit als orientierungsloser Jungspund. Kim Gordon ist ihr wie eine ferne Freundin: "'Shadow Of A Doubt' erinnert mich an die Zeit, als ich nach New York gezogen bin. Ich lebte fürs U-Bahn-Fahren und wanderte nachts durch die Straßen, nur darauf wartend, dass etwas passiert. Ich war jung und für alles offen. Kims Stimme war ein freundlicher Geist, der mir ins Ohr flüsterte."
Am Ende sind es aber Beck, die Sonic Youth und deren Radius am besten in Worte fassen. Ihre Wahl fiel auf "Sugar Kane", weil "man hören kann, wo so viel Musik der letzten 20 Jahre ihren Ursprung hat". Oder wie Red Hot Chili Pepper Flea (zuständig für "Rain On Tin") es mit etwas mehr Rock'n'Roll formuliert: "Dude, this is fucking epic!"
2 Kommentare
Sonic Youth, Pionier in Sachen Punk, Grunge und Alternative-Rock und Vorbild von Nirvana, Pearl Jam und Co., solltest Ihr aber auch mal in Eurer Meilenstein-Kategorie ehren.
wollts grad schreiben: Die Daydream Nation LP gehört sowas von in die Meilenstein Kategorie!!!