laut.de-Kritik
Warme Momente im sonst so kalten Norden.
Review von David HutzelIn Richtung Norden entführen uns die Stars aus Montreal mit ihrem inzwischen sechsten Album. Und nicht nur geographisch gesehen geht es für die Band nach oben: Im Vergleich zum Vorgängeralbum scheinen sie ihr Gespür für große Melodien auf "The North" wieder gefunden zu haben. Nicht, dass von "The Five Ghosts" nichts im Ohr hängen geblieben wäre - mit altbewährtem Rezept warfen sie auch 2010 musikalische Anker aus. Wenn auch klitzekleine Segelboot-Anker.
Ob der neue Langspieler zum großen, nordischen Eisbrecher avanciert? Schließlich wartet das Artwork mit allen möglichen Monumenten auf - eisige, weite Berglandschaften oder das Olympiastadion Montreals.
Der Opener "The Theory Of Relativity" beginnt da eher unerwartet munter: Ein stampfender Beat leitet eine Synthiepop-Nummer ein. Sänger Torq Campbell schwelgt in lyrischer Nostalgie zu einer knarzigen Bassline und einigen Riffs im Rücken.
Mit merklich prägnanterer Gitarre und durchdringendem E-Bass geht es in "Backlines" weiter. Die sanften Drums und der alleinige Gesang Amy Millans lenken Blick und Hör-Organ hinüber nach Toronto - zu den Landsmännern von Metric. In typischer Stars-Manier dagegen versprüht der Titeltrack "The North" Melancholie. Campbell tritt als balladenhafter Erzähler auf und sehnt mit berührenden Zeilen die bisweilen atmosphärische Stimmung herbei: "Sleep is my friend / and my rival (...) / It's so cold in this country / you can never get warm". Und ob, lieber Torq: Nach diesem dritten Track ist es durchaus möglich, mit der Platte sachte warm zu werden.
Nicht nur in der Namensgebung massiv ist "Hold On When You Get Love And Let Go When You Give It" geraten. Der Koloss lässt wenig anderes zu, als direkt voll Tatendrang auf die Tanzfläche zu stürzen. Euphorisch peitscht das Stück nach vorn und wenn Millan zum hymnenhaften Refrain ansetzt, haben einen die Stars wieder im Griff. Genau so einfach stecken sie einen sonst nur noch mit ihrem dialogartigen Gesang in die Tasche. Selten gibt es Stimmen, die so spielend in eine harmonische Symbiose übergehen. "Do You Want To Die Together" beschwört erneut einen Frage-Antwort-Gesang, instrumental zuerst verspielt mit 50er-Jahre Rockgitarre, bevor die Nettigkeit des Lieds dann am ausufernden, mächtig schwingenden Refrain zerbirst.
"Walls" wirkt märchenhaft, Campbell schwebt erzählend inmitten eines Waldes aus sphärischen Klängen. Ein rauer Bass und E-Drums werden im Refrain hackender Teil der Konstruktion und bilden einen wohl dosierten Gegenpol zum Gesang. Das mystische Zusammenspiel baut sich bis zum Schluss auf, und wird zum astreinen Elektropop-Track. Wermutstropfen: Das Ende ist leider viel zu unscheinbar. Trotzdem bleibt es einer der besten Tracks des Albums.
Als "The North" dann nach einem fast unbemerkten Fade-Out verstummt, stellt sich Zufriedenheit ein. Keine Totalausfälle, selbst wenn sich über einige Tracks streiten lässt. "Progress" ist durch und durch weich und ohne Kanten, bei "The 400" wird man zwangsläufig an das erinnert, was Death Cab vor Jahren besser hinbekommen haben. Selbst wenn die großen Barock-Pop-Nummern Kanadas inzwischen nicht mehr von den Stars, sondern von Arcade Fire geschrieben werden: Im höchsten Norden lodert nach wie vor eine kleine, aber wärmende Flamme.
3 Kommentare mit einer Antwort
wirklich schönes album. das problem ist meines erachtens nur, dass der track "hold on..." so gut ist, dass der rest nicht mithalten kann. es wirkt auch zum teil eher wie eine compilation, da manche songs sich vom stil so stark unterscheiden. aber im endeffekt gibt's nicht viel zu meckern.
Reicht nich an die Alben "Set Yourself On Fire" oder "In The Bedroom After The War" ran, aber Songs wie "Backlines", "Hold On When You Get Love"(!!!!!) oder "Through The Mines" sind ganz großer Sport.
Brauchte ein paar Durchläufe, gutes Album.
Also auch nach' über 'nem Jahr kreise ich immer noch rund um "Hold On When You Get Love", wenn ich das Album höre. Ziemlich eindeutiger Höhepunkt des Albums, der den Rest ziemlich abhängt.
Ja, ein Apostroph zuviel, Editierbutton usw.