laut.de-Kritik
Hamburgs Soul-Crooner: virtuos und mit Schmackes.
Review von Artur SchulzZum aktuellen Gwildis-Studioalbum "Heut Ist Der Tag" schrieb ich: "Gwildis' brandneue Songs schreien vor allem nach einem, ihrer Live-Umsetzung. Denn erst auf der Bühne, vor dicht gedrängtem Publikum, ist der Sänger in seinem ureigensten Element." Und wie! Davon konnte ich mich im Juli im Hamburger Stadtpark überzeugen: Rund drei Stunden lang unterhielt der Künstler rund 5000 Besucher mit einer mitreißenden Show voller Überraschungen.
Zwei Konzert-DVDs sind bereits seit längerem erhältlich, doch der Ruf nach einem Live-Mitschnitt für die heimische CD-Sammlung wurde deshalb nicht leiser. Diesem Wunsch kommt der Sänger nun nach. Und ganz in typischer Gwildis-Tradition wird da nichts Halbgares in die Läden gebracht. Im Gegenteil: Statt den einfachen Weg zu gehen und einzig das aktuelle Programm mal schnell auf Rohling zu pressen, erscheint mit "Let's Did It" ein umfangreiches Box-Set.
Der Titel "Let's Did It" entspringt Stefans Beobachtungen zur immer weiter um sich greifenden Sprach- Verhunzungstour mittels ungeschickt gesetzter Anglizismen. Auch seine Kaffee-Story erläuterte dies auf Tour amüsant und anschaulich. Die hierzulande grassierende "Coffee To Go"-Seuche ist eines der schlimmsten Beispiele vermeintlicher Anpreisungs-Coolness.
Die erste CD enthält Highlights der diesjährigen Tour, mitgeschnitten in Emden und Bremen. CD 2 entpuppt sich als Raritäten-Schatzkiste: Titel aus unterschiedlichen Phasen der Jahre 2003 bis 2007 sind hier zusammengefasst. Eine DVD, die 12 Auftritte u.a. im Rockpalast, beim 3Sat-Festival und dem NDR beinhaltet, rundet das Set ab. Die Vollbedienung für Gwildis-Freunde.
Gleich der Opener "Allem Anschein Nach Bist Du's", eine Interpretation von Bill Withers' "Ain't No Sunshine", weckt begeisterte Erinnerungen an meinen Konzert-Besuch. Bei diesem Song steht Gwildis ohne instrumentale Musikbegleitung auf der Bühne. Wozu auch? Er hat schließlich seine Stimme, die alle anderen nötigen Parts wie Bass, E-Gitarre und Schlagzeug meisterhaft zu interpretieren versteht. So ganz nebenbei beweist Stefan hier zusätzlich seine Qualitäten als Scat-Singer. Großartig!
Ein Titel wie "Amelie", der auf dem Studio-Album vielleicht ein wenig untergeht, erhält live einen noch spannenderen und nuancenreicheren Anstrich. Das ohnehin famose "Irgendwas Geht Immer" entfaltet seinen Soul ebenfalls erst auf der Bühne so richtig.
Stets mit Schmackes und Spielfreude dabei: Stefans rund 15 Mitstreiter umfassende Begleitband, deren Mitglieder genügend Raum zum Improvisieren und für vielbeklatschte Soli bekommen, ob es sich nun um E-Gitarren-Tausendsassa Mirko Michalzik, Bassist Achim Rafain, Cellist Hagen Kuhr oder Trompeter Michael Leuschner handelt. Martin Langer bearbeitet zudem druckvoll und nimmermüde sein Schlagzeug.
Neben den "Stammdamen" Julia Schilinski, Regy Clasen und San Glaser wurde der ohnehin hochklassige - und optisch stets traumschöne - Chor mit Sängerin Marion Welch verstärkt. Die Ladies haben auf Tour natürlich ebenfalls Gelegenheit, noch stärker zu glänzen. Bei "Amelie" oder "Anker Werfen, Segel Setzen" bieten sie Soul und Gospel vom Feinsten. Und Julia Schilinskis italienisches A Capella-Duett mit Stefan (auf CD leider nicht enthalten) verursacht in der Rückschau ob ihrer Stimmgewalt noch immer eine wohlige Gänsehaut. Fazit: CD 1 bietet einen Top-Querschnitt durchs aktuelle Programm.
Die Raritäten-Abteilung präsentiert danach einen guten Überblick über die vielseitigen Performer-Qualitäten Gwildis'. Ob der kurze Crescendo-Joke "Montagmorgen", das launige "Früher War Alles Besser" oder das live besonders intensiv überzeugende "Geh Doch": Der Hamburger Soul-Crooner ist einfach eine im allerbesten Sinne umwerfende Rampensau ohne Fehl und Tadel. Was dann und wann einen Schnitzer nicht gänzlich ausschließt, aber auch so etwas passt ins Gesamtbild: "Was sing' ich hier bloß für einen Scheiß zusammen. Ich fang' noch mal an!"
Gwildis-Konzertbesucher wissen, was sie an ihrem Star haben. Da wird nicht einfach nur ein Programm abgespult, sondern allerfeinstes Entertainment geboten inklusive Sulo-Mülltonnesolo, launigen Zwischendurch-Geschichten oder auch mal einer Runde Hamburger Budderkuchen für (fast) alle Fans. Die abschließende Live-DVD rundet den klasse Gesamteindruck dieser Veröffentlichung vorzüglich ab. Ton- und Bildqualität sind tadellos, lediglich die beiden NDR-Mitschnitte "Heut' Ist Der Tag" und "Schöner" fallen mit ihrem blassen Bild und zu drucklosem Sound etwas ab.
Brüder und Schwestern, Brothers and Sisters: Lasst ihn uns feiern, Deutschlands einzigartigen Soul-Entertainer. Mit diesen prächtig eingefangenen Stimmungen und Momentaufnahmen, die uns auf der zurückliegenden Tour, im Radio und TV so begeisterten. Hallelujah!
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