laut.de-Kritik
Taufrische Bluesrock-Ladung vom alten Space Cowboy.
Review von Artur SchulzDas Umfeld des während des Chicagoer Ravinia-Festivals aufgenommenen Sets erinnert an einen gemütlichen Wochenend-Familien-Ausflug: Mit Frau, Kind und Kegel fallen die Besucher vor der Konzertbühne ein. Barbecue-Atmosphäre in Reinkultur: Die Fans transportieren Picknick-Boxen, die Vorfreude ist spürbar. Während des Auftritts geht der Kamera-Blick oft ins Publikum: Natürlich tummeln sich da die mitergrauten Fans von einst. Doch die unübersehbare Heerschar von Teens und Twens ist mindestens ebenso enthusiastisch - und augenscheinlich textsicher - bei der Sache.
Als überlange Version läutet "Fly Like An Eagle" das Konzert ein. Musikalisch natürlich klar einem früheren Jahrzehnt verhaftet, überrascht diese Version mit einem Rap-Part von Keyboarder Joseph Wooten. Und der steht dieser Nummer äußerst gut und wirkt keineswegs wie ein Fremdkörper. Auf "True Fine Love" beweist Miller, dass er ein Händchen er für einprägsame Rock-Riffs besitzt. Mit "Abracadabra" schleudert die Band gleich den nächste Mega-Seller unter die Meute. Der "Mercury Blues" bietet, was der Titel verspricht, ebenso überzeugt "All Your Lovin" mit fein herausgearbeiteten Gitarren-Details.
Optisch reicht es bei Steve nicht mehr ganz zum coolen Rockstar in Schwarz: In dieser Farbe zeigt sich zwar das Hemd, darunter genügt eine schlichte Bluejeans. Insgesamt hinterlässt der Künstler einen nicht unangenehmen Familienvater-Eindruck. Vom Outfit her entspricht sein alter Weggefährte Norton Buffalo mit langem Haar und schräg sitzender Baskenmütze eher dem gemeinen Rockstar-Typus - er ist über die ganze Konzertlänge mit sichtbarer Begeisterung, Leidenschaft und Enthusiasmus bei der Sache. Gerade seine Mundharmonika-Parts verleihen so manchem Titel die rechte Würze.
Weiter öffnet Miller das Song-Füllhorn mit seinen Haupt-Versatzstücken aus Rock, Blues und einer Prise Boogie Woogie. Eine leicht melancholische Atmosphäre versprüht das dezent countryesk hüpfende "Dance Dance Dance". Ein musikalischer Retro-Abend? Natürlich. Aber stets frei von überalterten Oldie-Spinnweben. Zwischendurch bleibt Zeit für kleine Interaktionen mit dem Publikum. Zum Beispiel wenn Steve - im amüsanten Zusammenspiel mit der Band - die Vorzüge seiner Gitarre preist.
Von den Balladen sorgt besonders "Winter Time" noch immer für Gänsehaut. Die Hit-Kanonade der Sorte "Rock'n Me" (rockt noch immer prächtig!) macht mächtig Feuer, bevor "The Joker" als noch immer taufrisches, lässig-cooles Songwerk mit all den Miller-typischen Sound-Beeps listig und raffiniert inszeniert in den Bann zieht. Begeisterung hinterlässt der knackige Bass-Hook des Krachers "Swingtown" mitsamt kräftigen Gitarren-Parts. Zum Konzert-Abschluss startet der "Jet Airliner" mit seiner immer noch taufrischen Rock-Ladung in den Abendhimmel über Chicago.
Technisch präsentiert sich der Konzert-Mitschnitt auf hohem Niveau in Sachen Bild und Ton. Nicht weniger als 32 Kameras kommen zum Einsatz, um Band und Stimmung einzufangen. Freilich, in Sachen Show tut sich nichts Sensationelles auf der Bühne: Keine Spur von wilden Tänzern, knapp bekleideten Hupfdohlen oder gar augenverblitzenden Pyro-Effekten. Dafür gutklassige, haus- und handgemachte Musik pur von ausgewiesenen Könnern ihres Fachs. Der stets präsente altmodische Charme gerät nie in Verdacht des lieblosen Herunternudelns alter Hits.
Bei der Ausstattung der DVD gab man sich viel Mühe. In einem elegant ausgestatteten Schuber finden sich neben dem Konzertfilm eine Zusatz-DVD mit Features wie einer Foto-Galerie und einem ausgiebigen Interview mit dem Bandleader. Zwölf der Live-Songs sind separat auf einer CD zusammen gefasst. Kleiner Wermutstropfen: Das famose "Swingtown" fand hier leider nicht den Weg in die Auswahl. Das zehnseitige Booklet ist mit Fotos, ausführlichen Credits und einem informativen Begleittext bestückt.
Die Steve Miller Band 2008: Macht Appetit auf brandneues Material - von einem frischen Studio-Album wird seit längerem gemunkelt. Zeit wäre es, denn die letzte reguläre Scheibe datiert aus dem Jahr 2003. Wie singt der Space Cowboy doch noch auf "Fly Like An Eagle?": "Time keeps on slippin, slippin, slippin / Into the future". Nichts anderes gilt erfreulicherweise seit langem fraglos positiv auch für seinen Stil und seinen Sound.
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