laut.de-Kritik
Konsensmusik eines Chamäleons.
Review von Philipp KauseDas Tolle an Stings Job muss sein, dass er für Videodrehs viele schöne Schauplätze weltweit kennenlernt. Dank seines Bekanntheitsgrades arbeiteten Leute aus fast allen Kontinenten mit ihm zusammen. Einzig Asien fehlt ihm noch, aber so bleiben ihm Ziele fürs nächste Level. Beim "Duets"-Album greift das Strickmuster von drei Viertel der vielen Sting-Releases der letzten 25 Jahre: Aus Alt mach Neu. Der einstige New-Waver kommt für manche seiner Songs auf eine beeindruckend hohe Verwertungsquote.
Ein paar Stücke lassen sich aus den "Duets" derweil schnell aussortieren, weil totgedudelt oder schlecht gealtert: So wird "Desert Rose" mit Cheb Mami" hunderttausende Radio-Einsätze später den Geschmack eines durchgekauten Kaugummis nicht los. Trotz der anfangs frischen Kombination mit dem algerischen Sänger und dessen arabischen Tonsprüngen verbrauchte sich die leierige Melodie schon vor langer Zeit. Die Paarung mit Annie Lennox in "We'll Be Together" pflegt den klapprigen Robert Palmer-Sound der späten 80er und kombiniert in der vorliegenden Version von 2004 faden Synthiepop mit überdrehten Rockriffs. Im Filmkontext von "Bridget Jones" erfüllte diese Aufnahme ihren Zweck.
Das andere Ende des Sting-Spektrums bilden hier die 'Forever Young'-Nummern des bald 70-Jährigen. Sting dockte gerne an neue Trends an. Er sprang 2003 auf den Two Step-Boom auf und erreichte mit dem Craig David-Duett "Rise & Fall" Platz 11 der Schweizer, 15 der deutschen und 2 der britischen Charts. Beide Künstler erreichten danach nie wieder solch hohe Positionen mit Singles. Mit Abstand gehört, wirkt "Rise & Fall" heute recht konstruiert.
Im August 2020 schloss Sting auf "Mama" (mit Gashi) zu neuem Sound auf, wobei das Album des Rappers floppte. "Reste" (mit Gims) entwickelte sich derweil zum regionalen Riesenhit in Frankreich und Belgien. Maître Gims ist ein Afrobeat-Star. Beide, "Mama" und "Reste", ähneln einander: wabbelig-softe, melodiöse Dance-Nummern, nice to have, gleichwohl unspezifisches Füllfutter für die Playlist. Beim Duett mit Mary J. Blige erwählte Sting zum Glück die lange Album-Fassung des dramatischen, atmosphärischen Electro-Gospel-Krachers "Whenever I Say Your Name".
Bei aller Ambivalenz fungieren solche elektronischen Nummern in der "Duets"-Compilation als geschicktes Bindeglied. Denn sie kontrastieren mehrere Klaviersongs mit getragenen Stimmungen, lockern sie dank mehr Tempo auf, und zusammen bildet das alles eine unterhaltsame Dramaturgie.
Die ruhigeren Songs punkten durchweg. "Practical Arrangement" sticht als Höhepunkt heraus. Musikalisch überzeugt das warme Jazz-Arrangement. Die Stimmfarben von Sting und seiner Mehr-als-nur-Background-Sängerin Jo Lawry zeichnen sich hier durch viel Herzblut und Charakter aus: Sting angeraut, lebenserfahren. Die Australierin Jo Lawry fordert anmutig ihre Prinzipien ein. Der Text wählt einen feministischen Standpunkt und zeigt, dass man sich über einen Heiratsantrag nicht gleich freuen muss, sondern ihn auch in Hinblick auf die Rollensymmetrie der Beziehung diskutieren kann.
Spannend und überraschend klingen auch die funky Blues-Nummer "None Of Us Are Free with Sam Moore" und die italienisch-englische Kombi "September" mit Zucchero, eine gelungene Synthie-Ballade mit einer ungewöhnlich komplexen Melodie. "My Funny Valentine" erfährt dank der hohen Stimmlage Stings und des verfremdenden Klavierspiels von Herbie Hancock eine neue Prägung. Die Covers dieses Jazz-Standards sind zahlreich. Sting und Herbie ragen mit ihrem heraus. Sie profitieren von dezenten Bassläufen und neblig-sphärischen, vorsichtigen Synthesizer-Akzenten.
Insgesamt waren sechs der 17 "Duets"-Tracks bisher nur auf Alben, EPs oder Best Ofs der jeweiligen Duett-Kollegen vertreten. Drei weitere erschienen digital oder als Bonus Tracks bei anderen. Drei sind regulär auf Sting-Alben erhältlich, zwei weitere waren nur Singles, einer bloß auf einer japanischen Import-CD verfügbar. Lediglich die Aufnahme mit Jo Lawry gab es so noch auf keinem anderen Tonträger.
Sting bietet einen guten Überblick über seine chamäleonhafte Anpassung an diverse Stile und Rhythmen. Der "All For Love"-Weichspüler mit Rod und Bryan bleibt uns an dieser Stelle erspart. Für die nur als verstreute Bootlegs auffindbaren Konzertaufnahmen des Teams Sting, Prince und Ron Wood wären aber wohl viele Musikfans dankbar. Zugunsten vieler weiterer Kooperationen und Raritäten (mit Pato Banton, Gianna Nannini, Eberhard Schoener, Sheryl Crow, Anoushka Shankar) hätte Sting auch gerne tiefer graben können. "Duets" ist gute Nebenbei-Musik, nicht mehr und nicht weniger.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Und mit keiner Silbe wird das ziemlich große und handwerklich perfekte "It's probably me" mit Eric Clapton erwähnt.
Oder auch dieser eine Song da mit Julio Iglesias, für dessen Songtitel ich wieder hochscrollen müßte, wozu ich angesichts von Stings Post-Police-Ödnis dann doch zu faul bin.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
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Stephan Pastis ♥ ♥ ♥ ♥