laut.de-Kritik

Depeche Mode-Songs abseits jeglicher Tanzflächen.

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Man muss schon einen November im winterlichen Konstanz verbracht haben, um zu erahnen, was nebelverhangene Tristesse mit dem eigenen Gemüt anstellen kann. Wenn ein dichtes Weiß sogar den größten See Deutschlands verschwinden lässt, möchte man am liebsten selbst kurz hinter den Vorhang treten und in, sagen wir, Santa Barbara wieder heraus treten, wo sich das Thermometer zumindest tagsüber strikt weigert, die 20°C-Grenze zu unterschreiten.

Manchmal ist es aber auch schön, einen November in Konstanz zu durchleben, zum Beispiel wenn man eine Platte wie die von Sylvain Chauveau in die Finger bekommt. Selten war es erbaulicher, deprimiert zu sein. Elf Songs lang heult der 34-jährige Pariser Musiker mit mir in mein Kissen, denn auch er suggeriert im Opener, einiges um die Kraft dicker Kälteschwaden zu wissen ("We're breathing in fumes") und dass er dabei praktischerweise Melodien verwendet, die man eh schon innig liebt, ist doppelt super.

Nun ist ein Depeche Mode-Tribute-Album von jeher eine heikle Angelegenheit. Elektronikbands aus dem skandinavischen Raum, deren Namen allein schon klangen wie Transistorenhersteller, verunstalteten diese Kunst eine Zeit lang, bis 1998 mit "For The Masses" eine Hommage voll internationaler Schwergewichte erschien. Dort gab es mit den Deftones oder Failure zwar vereinzelt Licht, aber eben auch viel Rammstein. Sylvain Chauveau bringt nun nicht nur die Kunst fertig, als Franzose elf Depeche-Songs am Stück akzentfrei vorzutragen. Mit einer Begleitband, die den Instrumenten Geige, Klarinette, Cello, Klavier, Stehbass und Gitarre die pure Verzweiflung entlockt, reduziert er die Pop-Originale im Gegensatz zu Pat MacDonald auf ein stilles, kammermusikalisches Akustik-Skelett.

Zwar rüsteten schon Monta und die Pumpkins die vorliegenden Songs "In Your Room" und "Never Let Me Down Again" auf ein Grundgerüst ab, was der Schönheit der Chauveau'schen Streicher-Serenaden allerdings nicht abträglich ist. Allein mit seiner warmen Balladenstimme, die sich denn auch eher an Martin Gore als an Dave Gahan orientiert, hält der Musiker das Album zusammen, und wählte Songs aus, die trotz verschiedenster Jahrgänge überraschenderweise hervorragend funktionieren.

Dass "Policy Of Truth" oder "Blasphemous Rumours" einmal ein Leben als Tanzflächenfeger fristeten, scheint beinahe undenkbar, während die archaische "Death's Door"-Umsetzung zwischendurch beinahe so knarzt wie Neil Youngs Akustische im "Dead Man"-Soundtrack. Beinahe übertrieben experimentell klingen die spärlich bis nicht vorhandenen Arrangements in "Freelove", der vielleicht einzige Moment, in dem man dem Franzosen seine Vergangenheit als Künstler des Avantgarde-Labels Fat Cat anhört. Insgesamt aber ein Album, das den Winter ganz sicher überdauern wird und nicht nur Fans der britischen Band begeistern dürfte.

Trackliste

  1. 1. Stripped
  2. 2. The Things You Said
  3. 3. Home
  4. 4. Policy Of Truth
  5. 5. DeathÆs Door
  6. 6. (Enjoy) The Silence
  7. 7. In Your Room
  8. 8. Blasphemous Rumours
  9. 9. Freelove
  10. 10. Never Let Me Down Again
  11. 11. Enjoy The Silence

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