laut.de-Kritik
Die "Kinder aus Bullerbü" sind erwachsen geworden.
Review von Kim LangeDer kleinste größte Mann der Welt ist viel herumgekommen. Nach drei Alben und zwei EPs trägt er noch immer wunderbar schöne Folkrock-Songs zu Papier. Oder vielleicht gerade deshalb? Kristian Matsson, wie The Tallest Man On Earth seit 32 Jahren auch heißt, hat in den letzten neun Jahren seiner Solo-Karriere jedenfalls einige Bühnenbretter dieser Welt zu Gesicht bekommen. Auf seinem nunmehr vierten Album singt er aber größtenteils von seiner Heimat, von der Jugend und der Liebe.
Dass Schweden einen großen Teil seiner Identität ausmacht, lassen nicht nur die teils sehr nostalgischen Texte verlauten, sondern auch der komplette Sound des Albums. Stellt man sich das Leben der "Kinder aus Bullerbü" im Erwachsenenalter vor, "Dark Bird Is Home" lieferte sicher den geeigneten Soundtrack.
Matssons Stimme wechselt zwischen sommerlicher Beschwingtheit und tiefer Sehnsucht und Melancholie. Dabei unterstützen ihn meist eine Horde Bläser, Streicher und Chöre. Auch Trommeln, Flöten und eine Mundharmonika fanden ihren Weg ins Studio.
Die opulente Instrumentierung mag einem oftmals neu und unpassend vorkommen, galt The Tallest Man doch lange Zeit als Gott des rohen, ungeschliffenen Folks, dessen kratzige Stimme im Ohr fast schon weh tat. Der neben sich bloß Akustikgitarre und Piano brauchte, um einen Saal zu erwärmen, und bei Aufnahmen im Studio Instrumente und Gesang gemeinsam aufnahm.
Davon ist auf "Dark Bird Is Home" eher wenig übrig geblieben: All die Instrumente übertönen oft seinen Gesang und somit auch die intelligenten Texte. Die Akkorde der Songs ähneln sich stark, man sucht vergeblich die außergewöhnliche Basslinie oder Melodie.
Highlights finden sich meist in Stücken mit minimalistischer Instrumentierung, zum Beispiel in "Singer" oder "Slow Dance", das sich entgegen seines Namens langsam zu einer treibenden, euphorischen Nummer entwickelt. Auch "Little Nowhere Towns" begeistert als Piano-getragene, blühende Ballade, gleichzeitig voller Fernweh und Entschlossenheit.
Dunkel wirkt dieser Vogel keinesfalls, der hier heimgekehrt ist. Eher hell und freudig, wenn auch gespickt mit sanfter Melancholie, immer bereit, die Welt weiter zu entdecken.
Das wird der Schwede wohl in den nächsten Monaten auch tun, wenn er samt vierköpfiger Begleitband neben Nordamerika bis zum Herbst ganz Europa bespielt. Schade, dass vom einst so einzigartigen Tallest Man-Sound fast nur noch die einprägsame Stimme bleibt. Wer diesen nicht kennt, freut sich über eine abgerundete Folk-Platte, die wegen ihrer poppigen Note garantiert ein großes Publikum begeistert.
1 Kommentar
Ähnlicher Effekt wie bei Mumford und Söhne, nur nicht so schlimm. Liegt auch daran, dass der längste Lulatsch im Gegensatz zu M&S von einem qualitativ hohem Level startete.
Aber auch hier sind fast alle Ecken und Kanten abgeschliffen, was auf Kosten der Intensität und Dringlichkeit geht.
Wenn Dark Bird das erste wäre, das ich von Matson höre, wäre ich wahrscheinlich ziemlich angetan, weil gefällig ist die Scheibe durchaus und seine Stimme ist noch immer - naja seine Stimme.
Wer aber "There's No Leaving Now" kennt, bei dem bleibt ein etwas schaler Nachgeschmack.