17. Januar 2025

"Wir wollten viel dümmere Musik machen"

Interview geführt von

Fünf Jahre nach "Alpha und Opfah" kehren The Butcher Sisters aus Mannheim mit "Das Weiße Album" zurück. Unterstützung erhalten sie von den 257ers, Mehnersmoos, Alligatoah und Equilibrium. Nach gemeinsamen Tourneen mit Electric Callboy und Alligatoah und jahrelanger Albumabstinenz erscheint heute "Das Weiße Album" der Butcher Sisters. Wir trafen die Band zum Gespräch in Zoom.

Euer neues Album habt ihr als das "Weiße Album" betitelt. Da kommt man natürlich um einen Beatles-Vergleich nicht herum. Musikalische Parallelen konnte ich bisher zwar nicht entdecken. Nach Farben benannte Alben haben bei Bands aber oft einen hohen Stellenwert und sind mit einem musikalischen Stilwechsel verbunden. Was lief bei euch mit dem neuen Album anders?

Stroppo: Wir haben uns befreit! Und uns über die Jahre auch neu kennengelernt, wir sind Freunde geworden. Wir haben gemerkt, dass wir doch dieselbe Idee von der ganzen Sache haben. Jahrelang haben wir ein gewisses Genre bedient und so ein bisschen K.I.Z. nachgemacht. Auf Dauer war das aber kacke und brachte keinen Spaß mehr. Als wir uns dann besser kennengelernt haben, merkten wir, dass wir eigentlich viel dümmere Musik machen wollen. Wir haben einfach gerne Spaß und sind keine Proleten. Viele haben auch den Witz falsch interpretiert, wenn wir uns über Hip Hop lustig gemacht haben. Deswegen gab es jetzt mal einen kompletten Tapetenwechsel und das macht so Bock.

Du hast euer früheres Proll-Image angesprochen. Da ging es bei euch noch vorwiegend um Benz fahren, Beatdown und dicke Schwänze. Von eurem Debütalbum "Respekt und Robustheit" habt ihr euch 2022 in einem Statement distanziert und es aufgrund der Inhalte sogar von den Streamingplattformen entfernt. Wie ist es zu diesem Sinneswandel gekommen?

David: Wir reden da selbst noch öfter drüber, weil wir analysieren mussten, was genau uns daran gestört hat und in welche Situation wir uns da rein manövriert hatten. Wir wollten damals Nu Metal 2.0 machen. Kollegah und K.I.Z. liefen damals im Radio und wir dachten uns, wir nehmen das Ganze, legen da Metal drunter und nehmen diesen Zeitgeist mit. Wir hatten den Anspruch, Sarkasmus und diese Übertreibung rüberzubringen. Dass du so einen Drahtseilakt hast zwischen Spaß, Ernst und Kritik und das in so einer Rap-Sprache mit den Schimpfwörtern, wie das in der Kultur eben dazu gehört. Wir haben damals alle "JBG 2" gehört. Super witzig, aber das ging auch komplett übers Ziel hinaus und war deswegen auch nicht wirklich ernst zu nehmen. Die Idee war: Wir machen einfach so kulturimmanentes Zeug mit übertriebenen Texten und Beleidigungen. In dieser Kultur war es ja klar, dass das niemand ernst meint. Dann kombinierst du das mit dem ganzen Metal-Kram und merkst, dass diese Kultur doch ganz schön konservativ ist. Wir haben da irgendwie den Finger in die Wunde gelegt.

Wir hatten damals auch den Anspruch, dass wir was machen wollen, bei dem man auch zwischen den Zeilen lesen kann und wo dann rauskommt, dass du versuchst, gesellschaftskritische Themen aufzuarbeiten. Gleichzeitig hatten wir damals noch so einen jugendlichen Leichtsinn. Wir haben nicht so genau darüber nachgedacht und dann gemerkt, dass es da doch ein paar missverständliche Aussagen gibt. Die meisten Leute haben es zwar eigentlich verstanden. Es hat sich nie jemand bei uns beschwert. In der Metal-Szene stießen wir aber eher auf Unverständnis, weil die mit dem ganzen Ding einfach nichts anfangen konnten. Dann gab es gleichzeitig Leute, die haben das viel zu ernst genommen und fanden das mega toll. Die dachten dann, du wärst wirklich so. Man hat sich da so ein zweischneidiges Schwert aufgebaut. (lacht)

Wir fühlten uns damit dann einfach unwohl. Wir haben es vielleicht auch nicht so auf die Spitze getrieben, dass es für alle hundertpro klar ist. Die Leute, die wir damit angezogen haben, fanden wir dann aber nicht so gut. Diese gesamte Mischung war nicht mehr unser Ding und hat uns auch keinen Spaß mehr gemacht.

Welche Reaktionen gab es von eurem Publikum, als ihr das Album dann zurückgenommen habt?

Alex: Die meisten Leute kannten uns sowieso erst aus der Zeit danach mit dem Album "Alpha Und Opfah". Natürlich gab es da ein paar Hardliner, denen wir damit irgendwie weh getan haben.

Stroppo: Die, die sich beschweren, wählen dann auch Worte, die wir abgelegt haben und die wollen wir eben nicht im Publikum haben. Ich verstehe natürlich auch, dass man traurig ist, wenn sich die Lieblingsband verändert.

Solche Reaktionen bestätigen dann wohl auch das eigene Handeln.

Stroppo: Ja, ich freue mich dann auch, wenn sich Leute beschweren, weil es zeigt, dass wir den richtigen Weg gegangen sind.

Alex: Du kannst natürlich Schimpfwörter bringen, aber es geht nicht mehr, wenn du nur ein kleines bisschen über die Grenze von Diskriminierung gehst. Diese Grenze hatten wir schon überschritten und das gefiel uns persönlich gar nicht.

Stroppo: Prolet spielen liegt mir gar nicht. Ich bin eigentlich ein ganz netter Kerl. Für mich war es zum Beispiel sehr schwer, das Wort "F***e" zu benutzen. In dem Reim hat das schon irgendwie Sinn gemacht, aber damit dann auf der Bühne zu stehen, war schon schwer. Ich konnte es zwar irgendwie performen, aber wohlgefühlt habe ich mich damit nie wirklich. Da musste ich an meinen Vater denken, der mal gesagt hat: "Ich habe früher immer in die Kacke geschlagen, um zu sehen, wie weit es spritzt." Es war eine große Erlösung, als ich dieses Kostüm ablegen konnte. Ich habe gesehen, wie weit die Kacke spritzt. Jetzt kann ich getrost sagen, dass mir das nicht passt. Man macht ja auch Kunst und Musik, um die Reaktionen zu sehen. Aber böse Absichten waren nie dahinter. Das Problem war, dass das nicht so gemeint war und nicht verstanden wurde. Da wollten wir nicht bleiben.

Nur weil ihr euch davon distanziert habt, heißt das aber nicht, dass ihr jetzt auf höchst anspruchsvolle Inhalte setzt. Auf eurem neuen Album geht es unter anderem um Bier, Tiefkühlpizzen, Nudeln und Aperol. Ihr scheint euch während der Produktion nicht besonders gesund ernährt zu haben.

David: (lacht) Das stimmt. Wir wollten immer auf irgendeine Art und Weise Spaß haben. Das machen, was uns selber auf eine nette Art und Weise amüsieren würde. Was anderes wollten wir nie.

Stroppo: Das ist eben auch authentisch. Wenn wir jetzt wirklich solche harten Beatdown-Metaller in der Szene gewesen wären, wären unsere früheren Sachen ja auch authentisch gewesen. Wir machen jetzt nichts mehr nach, sondern das, was wir sind. Von daher passt das jetzt. Das Schauspiel ist vorbei!

Zum Thema Authentizität: In "Der Nudelsong" zitiert ihr den ikonischen Nudel-Monolog von Peter Ludolf. Da ging mir ein wenig das Herz auf, weil ich diesen so großartig finde. Wie kommt ihr auf solche Textinhalte?

Alex: Wir haben zu diesem Zeitpunkt noch keinen Song über Essen geschrieben. Und Nudeln sind ja ein gutes Essen. Die kann man ja kalt und warm machen.

Nudeln sind ein Ewigsessen.

Alex: Eben und der Italiener isst die Nudel auch zum Frühstück. Nein, also tatsächlich gibt es bei jedem Song eben so einen Aufhänger und da baut man den Rest dann drum herum. Da ist nichts Mystisches dabei.

David: Es ist eben auch ein Meme unserer Generation. An so einem Ding hat jeder Spaß dran. Das ist auch der Punkt. Du siehst das Ding von den Ludolfs und denkst dir: "Hahaha, lustig." Und wir wollen mit der Musik einfach nur Spaß haben.

Stroppo: Ich habe mein Leben lang immer alles mit Musik verbunden. Und irgendwann war das so ein Zwang, dass ich alles, was ich lustig fand, mit einem Lied verknüpfen musste. Da war jedes Meme recht. Oder jeder Furz. Ich habe meine Fürze auch mal aufgenommen und wollte dann daraus ein Lied machen. Über Fürze mit Furzgeräuschen. Die Inspiration liegt auf der Straße.

Musikalisch bleibt "Das Weiße Album" nah am Metal dran, nimmt etwa mit "Aperol" aber auch Ballermann- und Schlager-Elemente mit auf. Da spaltet ihr schon wieder die Szene mit. Wie fallen da die Reaktionen aus?

Stroppo: Ja Mann, das ist so geil. Ich liebe es, zu irritieren. Es macht so viel Spaß, was Neues auszuprobieren.

David: Bisher waren alle Releases des Albums sehr gitarrenlastig. Klar, ein bisschen poppiger als vorher, aber dann bringst du einen Song wie "Aperol" und dann kriegen die Leute direkt Angst. (lacht)

Alles machen, was Spaß bringt: Wie wird sich euer Motto auf die anstehenden Liveshows auswirken?

Alex: Also es wird eine Unterwassershow geben. Du musst dir dafür ein U-Boot kaufen. Es ist also nur für exklusive Gäste. Dasselbe haben wir noch in der Luft vor und zur Krönung auf dem Mars.

Stroppo: Du hast das Konzert vergessen, wo wir in einem Vulkan spielen!

Alex: Stimmt, da muss man sich noch einen Schutzanzug besorgen. Bald im Onlineshop!

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