laut.de-Kritik
Es gibt schlimmere Martern als eine Wurzelbehandlung.
Review von Ulf KubankeNach erfolgreicher Demaskierung legt The Dark Tenor nun mit dem dritten Album nach. Was mag hier zum Vorschein kommen? "Symphony Of Ghosts" macht qualitativ dort weiter, wo die Vorgänger endeten. Es ist wie bei den Nazgûl: Hinter der Maske lauert die große Leere.
Schon textlich erweist sich der hochtrabende Titel als Trugbild. Wer ob des verheißungsvollen Titels auf ein Stelldichein mit Spukgestalten Marke Freddy Krueger, Sir Simon of Canterville oder wenigstens Hui-Buh hofft, geht leer aus. Das einzig Gruselige ist die unheimliche Begegnung der seichten Art. So gut wie jeder Text radebrecht sich durch mittelprächtiges Schulenglisch und liefert Zeilen am Fließband, die vor Selbstfindungs-Schmalz nur so triefen. Es klingt an vielen Stellen höchstens nach dunklem Briefkastenonkel, der nahezu alle gängigen Frauenzeitschriften und Psycho-Ratgeber nach den ausgelutschtesten Klischees erfolgreich durchforstete. So ahnt der Hörer im Verlauf, dass der einzige Geist hier der Himbeergeist werden wird, den man auch bitter benötigt, um bis zum Ende durch zu halten.
Musikalisch winkt einmal mehr die ganz große Geste mit der leeren Hand. Von A bis Z ergießt sich über den Hörer eine bedeutungsschwanger aufgeladene Schleimspur, die ununterbrochen das große Drama suggeriert, um spätestens im Refrain als Schmonzette zu verebben. Das liegt bei Liedern wie "Guided Under Flag", "Dance Without The Music", "The Fallen" oder "Invincible" vor allem daran, dass der große Bombast in mittelmäßige Reißbrett-Melodien mündet, die jedes echte Gefühl im Keim ersticken. Das Ergebnis klingt folgerichtig nicht etwa nach Wunderkerze im Stadion, sondern nach geklontem Leberwurst-Vangelis, der schon etwas zu lange auf dem Kompost lag.
Zum Fürchten ist das ausgeklügelte Antäuschen, das Schüren von Hoffnung beim Hörer. Mitunter tauchen ein par zarte Akustikgitarren auf, die kläglich im Wirtshaus-Chorus ersaufen. Ganz besonders schlimm steht es um das arme missbrauchte Piano. Spätestens bei "Masterpiece" entwickelt man einen regelrechten Beschützer-Instinkt und möchte es aus diesem Weihnachtsbaum des Grauens befreien. Kurz darauf wagen die gequälten Tasten in "Written In The Scars" einen zaghaft romantischen Ausbruch. Während es in der Strophe noch als Einaudi-Imitat dahinplätschert, schwingt sich der unglückliche Klangkörper am Ende zum kurzen, aber wundervollen Mini-Solo empor. Von allen Eigenkompositionen sind das die einzig genießbaren 30 Sekunden.
Auch gesanglich bietet TDT wenig, was einem nicht die Mundwinkel nach unten merkeln ließe. Zwar trifft er blitzsauber alle Töne, doch steht sein Handwerk charismatisch eher auf tönernen Füßen denn goldenem Boden. Ein nettes, recht dünnes Stimmchen hangelt sich bar jedes individuellen Timbres von Tiefpunkt zu Tiefpunkt. Taucht dann doch einmal wider Erwarten eine gute Idee auf ("I Miss You"), stammt sie nicht aus der eigenen Feder, sondern von Robert Miles Überhit "Children".
Wer diese ganze Wartezimmer-Musik des Schreckens beim Zahnarzt vernimmt, der weiß: Es gibt schlimmere Martern als eine Wurzelbehandlung. Doch während man bereits den Mantel des Schweigens über das Gesicht dieser Song-Leichen breiten möchte, geschieht ein kleines, markerschütterndes Wunder. "Parla Piu Piano" springt als sensibles Kleinod aus dem Schatten der kreativen Umnachtung. Eine Interpretation des wundervollen "Godfather's Waltz" des großen Nino Rota. Hier lässt der Dark Tenor endlich allen überkandidelten Flitter weg und entblättert sich samt Lied aus dem Album-Kontext. Die italienische Sprache passt zu ihm wie angegossen. Zart und gefühlvoll haucht er die Zeilen und klingt dabei erstaunlicherweise ein wenig nach Karel Gott. Auch das Arrangement verzichtet auf die sonst typische Breitbeinigkeit und vermittelt endlich Effektivität statt Effekthascherei. Doch zu diesem Zeitpunkt ist es schon zu spät. Don Corleone hat er mit dem Rest der Platte längst getötet.
2 Kommentare
Leider kommt diese Kritik selbst mit bombastischem Wortgeklingel daher. TdT ist m.E. gutes Mittelmaß - was heutzutage schon viel ist bei all dem wirklichen Schrott, der einem um die Ohren gehauen wird. Der einzige Kritikpunkt den ich teile: der starke deutsche Akzent des Sängers bei den englischen Texten
Symphonie des Grauens