laut.de-Kritik
Der König, er lebt.
Review von Christoph DornerGestartet als von Folk und Literatur inspirierte Indie-Band; haben The Decemberists aus Portland eine beachtliche Entwicklung durchgemacht.
Immer konzeptueller und dabei in der Ausführung beinahe schon Progrockig überladen gestalteten sich ihre Alben. Spätestens mit dem hochgelobten "The Crane Wife" hatten es Sänger Colin Meloy und Anhang bis in die Champions League geschafft, wo sonst nur noch Belle And Sebastian, Death Cab For Cutie oder Arcade Fire musizieren.
Ihr sechstes Album "The King Is Dead" verhält sich hierzu auf den ersten Blick wie die selbstauferlegte Beerdigung dieses elaborierten Größenwahns. Auf einer entlegenen Farm im Bundesstaat Oregon in einer dreiwöchigen Session mit Peter Buck von R.E.M. als Sound-Pate und Gast an der Mandoline eingespielt, hat sich die Band auf dem Album all des artifiziellen Ballastes entledigt, der Meloys Songwriting schon auf "The Hazards Of Love" merklich gehandicapt hatte.
Was aus dieser ruralen Meditationsübung hervorgegangen ist, sind zehn entdramatisierte, pastorale Folk-Songs mit einem Americana-Einschlag, der wegen seines aufrichtigen Vortrages so manchen Fan verschreckt vom Hof vertreiben dürfte. Erschrickt man sich noch beim Harmonika-Einstieg und dem Gefidel des Openers "Don't Carry It Al", so ist es spätestens nach dem frühen R.E.M.-Rocker "Calamity Song" mit seinen Jingle-Jangle-Gitarren Gewissheit:
The Decemberists haben ihr Nashville-Album gemacht. Eines, dem man nicht nur als unaufgeregter Wilco- oder Springsteen-Fan eine Chance geben sollte. "Rise To Me" lässt es einem dank der Steel-Gitarre und Klaviertupfern schnell warm ums Herz werden, mit dem Einwanderer-Folk "Rox In The Box" entführt die Band kurz auf die grüne Insel, ehe sich Meloy im wahrlich wunderschönen "January Hymn" fragt: "What were the words I meant to say before she left".
"The King Is Dead" wird so im besten Sinne zu handgemachter, restaurativer Honky Tonk-Musik, die in ähnlicher Weise post-digitale Bedürfnisse nach greifbarer Qualität, nach Entschleunigung und Authenzität zu stillen vermag, wie es für so manchen Erwachsenen die sauteuren Einzelstücke aus der Manufaktur vorgeben.
Dabei klingen Meloy und Instrumentalistin Jenny Conlee mit ihrer warmen, unaufdringlichen Zweitstimme mit der "June Hymn" zwar lange nicht so dynamisch wie die Folk-Lieblinge Mumford And Sons, ihre erzählenden, nachdenklichen Songs sind allerdings fast noch einen Tick besser. Der König, er lebt.
2 Kommentare
Ist ein schönes Album geworden. War beim ersten Durchlauf sehr skeptisch, aber das Stirnrunzel wich dann doch schnell einem Lächeln. Werde es mir auf jeden Fall kaufen, wenn es übermorgen erscheint. Beim nächsten Mal darf's dann aber auch ruhig wieder ein bißchen pompöser werden.
Jaaaa...das ist genau das Album, dass ich von ihnen hören wollte. "The Hazards Of Love" war mir trotz schönem Gesamtkonzept etwas zu anstrengend und die Classic/Hardrock-Passagen behagten mir auch nicht sonderlich - aber "The King Is Dead" lässt die alten Stärken wieder aufleben: Großartige Melodien, griffige Songs, tolle Texte.
Derzeitiger Favorit: "The Calamity Song" - R.E.M. lassen grüßen!