17. Mai 2019

"Wir sind die Söhne dieses Biests!"

Interview geführt von

The Heavy veröffentlichen mit "SONS" ihr mittlerweile fünftes Album. Frontmann Kelvin Swaby berichtet von Inspirationen, der Entstehungsgeschichte des Albums und den persönlichen Veränderungen innerhalb der Band.

Die britische Band The Heavy steht für bombastische Musik, die einem beim Hören immer wieder die Gehörgänge freipustet. Nach drei Jahren Pause melden sich die vier Musiker mit einem neuen Langspieler zurück. Im Zuge einiger Promo-Gigs in Deutschland konnten wir Frontmann Kelvin Swaby an die Strippe bekommen.

Die Konferenzschaltung sorgt auf beiden Seiten erstmal für Verwirrung, aber nach einigen Knacksern und Piepsern steht die Verbindung.

Hallo Kelvin, wie geht's?

Gut, was für ein wunderschöner Tag! Ich arbeite gerade an einem Country-Song, den ich zusammen mit Dan schreibe.

Wie waren die Gigs bis jetzt?

Wir haben bis jetzt erst ein paar "Promo-Gigs" für das kommende Album gespielt, die richtige Tour startet dann Ende Mai in London. Wir haben also noch ein paar Wochen Zeit, bevor es ernst wird! Aber ich erwarte, dass diese Mini-Tour, die wir jetzt spielen, genial wird. Die Shows sind jedenfalls alle schon ausverkauft. Und es wird ne Menge Spaß machen, endlich die neuen Songs live zu spielen. Ich kann's kaum erwarten!

Wie gefallen den Fans die neuen Songs, die ihr bis jetzt schon gespielt habt?

Die Songs kamen echt gut an! Ich liebe das! Wir haben insgesamt fast zwei Jahre daran gearbeitet, dem Album eine Seele zu geben. Es ist ein wunderschönes Gefühl, wenn man die ersten Takte vom neuen Material spielt und die Leute komplett ausrasten. Dann kann man echt krass erleichtert sein. Was wir auch sind, die Songs kamen super an und es gibt ja noch jede Menge starke Songs auf der neuen Scheibe.

"Wir sind die Söhne dieses Biests!"

Was hat sich verändert von eurem letzten Album "Hurt & the Merciless" zu "SONS"?

Wir haben "Hurt & The Merciless" damals so verdammt klar aufgenommen, und der Gesamtmix wurde am Ende dann sogar wieder etwas "dreckiger" gemacht. Diesmal haben wir uns dafür entschieden, einen Zwischenweg zu gehen im Vergleich zu der Art, wie wir bis jetzt gearbeitet haben. Wir haben also viel in einem echt guten Studio aufgenommen, aber wir haben auch eine ganze Tonne an Home Recordings gemacht. Unser Drummer hat sich ziemlich mit den ganzen Aufnahmeprozessen beschäftigt und bekommt in seiner Bude mittlerweile einen genau so guten Sound hin, wie in einem professionellen Studio. Wir lernen mit jedem Album dazu. Wir arbeiten aber am liebsten nach dem Prinzip: Do it yourself. Wegen den Aufnahmen: ich wohne in Amerika und bin deshalb alle vier bis sechs Wochen nach England geflogen. Wir haben uns die ganze Zeit Demos gezeigt und dann versucht, die Songs so gut wie möglich zusammen zu proben und dann aufzunehmen. Wir haben auch viel programmiert und mit Samples gearbeitet, um einen Eindruck zu bekommen, wie das Album klingen könnte. Aber das haben wir eigentlich schon immer gemacht.

Ihr beschreibt euer neues Album als ein Mixtape, das man seinen besten Freunden schenken würde. Gibt es trotzdem so etwas wie ein gemeinsames Thema, einen roten Faden, der sich durch "SONS" zieht?

Es sind einfach gute Songs, weißt du. Wir reden natürlich immer noch über die Dinge, über die wir halt so reden (lacht). Aber die Themen verändern sich auch, wenn du älter wirst. Wir haben mittlerweile alle Kinder. Und die Art, wie wir die Beziehungen zu unseren Mitmenschen sehen, hat sich auch verändert. Deswegen war es auch eine schöne Idee von Dan, das Album "SONS" zu nennen. Das ist Familie, wir als Band sind Familie. Es ist so viel mehr als einfach nur Leute, die zusammen arbeiten, wir sind die Söhne dieses Biests! Im besten Fall können die Leute, die unsere Songs hören, daraus eine Message mitnehmen. Ich glaube, wir sind einfach viel bewusster und reflektierter über unsere soziale Umgebung geworden. Es geht immer um deine Umwelt, über Lebenspartner und Partnerinnen, über die Regierung, die Leute um dich herum. Das ist es, was alle Songs verbindet: sich bewusst sein über die soziale Umwelt. Bei den Heavy-Alben davor ging darum, den persönlichen Standpunkt klar zu machen und dieses Mal ging es darum, ein weiteres Blickfeld zu haben.

"Die Heavy-Songs müssen sich so anfühlen, als wenn mehr als vier Musiker in einem Raum spielen."

Glaubst du, dass es einen besonderen Grund gibt, warum eure Musik so oft für Soundtracks verwendet wird?

(Die Frage sorgt für große Erheiterung, Swaby lacht schallend am anderen Ende.)

Dan und ich haben uns über Jim Jarmusch und Spaghetti-Western kennengelernt, so fing unsere Freundschaft an. Natürlich gab es noch ein paar andere Gemeinsamkeiten, aber richtig zusammen gefunden haben wir über Filmmusik. Wir wollten dreckigen Soul und Garage Punk machen und einfach bombastische Musik schreiben. Die Heavy-Songs müssen sich einfach immer so anfühlen, als wenn da mehr als vier Musiker in einem Raum spielen. Ich kann nie nur daran denken, Bass, Schlagzeug und Gitarren zu verwenden. Ich höre immer mehr: Streicher, irgendwelche verrückten Hörner oder den Punch von einer Kickdrum, die so viel fetter ist, als der Sound, der in einen kleinen Raum passt. Es geht einfach darum, unseren Sound immer heftiger zu machen. Daniel wohnt zurzeit auf dem Land - darf ich dir das kurz vorspielen?

Ja klar.

(Spielt eine Gitarrenmelodie ab, die ziemlich nach Western und Mexican Standoff klingt.)

Das ist schon ganz cool, oder? Aber Daniel hat mir heute morgen dann dieses Material geschickt.

(Spielt die gleiche Melodie ab, die aber wesentlich dynamischer und powervoller durch das Telefon schallt. Mehrere Gitarren und Bläser wurden ergänzt.)

Wir versuchen immer, etwas über das Offensichtliche hinaus aufzubauen. Wenn man uns vier in einen Raum einsperrt ist das schon ein ziemliches Hin und Her. Jeder versucht halt, seine Vorschläge mit einzubringen, um die bestmöglichen Songs zu machen. Wir sind alle riesige Filmfans und das klingt dann so: "Wir könnten doch auch Streicher verwenden. Erinnert ihr euch an die eine Szene aus "Once Upon A Time In America", die mit James Woods? Wir könnten doch auch..." So in die Richtung. Es ist sehr hilfreich, Filme als Referenzen zu nehmen, wenn man über Bläser- oder Streichermelodien redet. Wir lieben einfach Filme und Filmmusik! Vielleicht werden unsere Songs deswegen so häufig verwendet. Es gibt aber auch einfach nicht so viele Leute, die das machen, was wir machen. In einer Zeit von Streaming und illegalen Downloads ist es gut zu wissen, dass unsere Songs medial einen Wiedererkennungswert besitzen. Es ist schwierig, heutzutage überhaupt als Musiker über die Runden zu kommen.

Ja klar, wenn man auch alles im Netz bekommen kann, ohne dafür bezahlen zu müssen...

Genau das ist es. Das ist der aktuelle Stand und wir müssen alle mit der Zeit gehen. Wir haben unsere Alben nie extra so geschrieben, damit sie für Filme genutzt werden. Aber jedes Album hat einen eigenen Vibe, der auch mit von Filmen inspiriert wurde. "The House That Dirt Built" hat zum Beispiel diesen Voodo-Vibe und "The Glorious Dead" fühlt sich wie ein Zombie-Film an.

Würdet ihr auch gerne mal einen Soundtrack schreiben?

Oh ja, unbedingt, 100 Prozent! Das ist etwas, das wir schon seit langem sehr gerne machen würden! Wir schicken uns eh die ganze Zeit Songfetzen und Ideen hin und her und es wäre echt genial, mal einen kleinen Soundtrack zu schreiben!

Vielleicht klopft ja Tarantino für seinen nächsten Film bei euch an. Immerhin hat er ja schon Songs von euch für seine Filme verwendet.

Ja das war absolut unglaublich, dass er einen Song von uns für "The Hatefull Eight" verwendet hat! Das klang unglaublich, sah unglaublich aus und der Film war auch unglaublich. Und ich liebe einfach Tarantino! Für ihn einen Soundtrack zu schreiben wäre schon eine ziemlich große Anerkennung! Danach könnte man fast schon aufhören, Musik zu machen! (lacht)

Kannst du uns noch erzählen, was es mit dem neuen Album-Cover auf sich hat? Es ist ja immerhin das erste Cover, auf dem eure Gesichter zu sehen sind.

Das Bild ist in einer Fotokabine nach einem legendären Gig in Paris entstanden. Das war so heftig! Es war so heiß, so schwitzig, die Leute sind richtig abgedreht! Dort in der Nähe gab es eine Fotokabine, in die wir uns völlig besoffen und high reingequetscht haben. Daniel hat eine Kopie davon, Chris [Chris Ellul, Schlagzeug] hat eine. Ich hab keine, frag mich nicht warum (lacht). Wir haben lange herumgespielt und überlegt, was wir auf unser neues Cover packen sollen. Das Ding ist, dass viele Leute unsere Musik hören, aber überhaupt nicht wissen, wer wir sind. Und dann dachten wir uns: "Warum packen wir dieses Mal nicht unsere Gesichter auf das Cover?" Wir haben versucht, den Sound des Albums einzufangen, aber auch das Gefühl, wenn man auf Tour ist. Dann haben wir das Bild, das damals in Paris entstanden ist, nachgestellt. Wir finden, dass das Bild gut diese Gefühle einfängt. Und es hat extrem Spaß gemacht, das Cover zu machen, dieses: "Aaaah, fuck ist das eng hier drin!" Es geht bei "SONS" darum, sich wohl zu fühlen in seiner Haut und hinter dem zu stehen, was man fabriziert hat.

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