laut.de-Kritik
Mehr Bombast, mehr Hooks, mehr Kitsch.
Review von Toni HennigDie Karriere von The Killers aus Las Vegas verlief in den letzten Jahren alles andere als reibungslos. Bassist Mark Stoermer und Gitarrist Dave Keuning erlebt man bei den Deutschlandshows im Frühjahr 2018 schon nicht mehr. Sie wollen sich privaten Angelegenheiten widmen, heißt es. Sie bleiben jedoch ein fester Bestandteil dieser Band. Weiterhin konnte ihr letztes Studioalbum "Battle Born" Kritiker und Fans nicht wirklich begeistern. Daher soll "Wonderful Wonderful" die Amerikaner musikalisch wieder in die Spur bringen.
Der Opener und Titeltrack deutet zunächst mit der stoischen Post-Punk-Gitarre von Dave Keuning und seinen majestätischen Bläser- und Streicherarrangements aus der Steckdose tatsächlich darauf hin, dass die vier Musiker auf dieser Platte an die Qualität früherer Werke anknüpfen können. Trotz der dramatischen Melodieführung kann dieser Song eine gehörige Portion Groove aufzuweisen. So hätte man es sich auch auf den folgenden Nummern gerne erhofft.
Danach fahren The Killers alles auf, was das Aufnahmebudget hergibt. Als Hauptproduzent hat man sich Jacknife Lee gesichert, der in der Vergangenheit für U2, R.E.M., Taylor Swift und Robbie Williams an den Reglern tätig war. Außerdem zeichnet Alan Moulder für den Mix einiger Tracks verantwortlich und Woody Harrelson spricht ein paar Zeilen. Um alle Leute, die sich an dieser Scheibe beteiligt haben, aufzuzählen, reicht eine Seite im CD-Booklet kaum aus.
In "The Man" darf dann Erol Alkan hinter das Mischpult. Der Song führt mit dem funkigen Gitarrenspiel und den Soul-Chören direkt auf die Tanzfläche. Trotzdem bewegt man seine Hüften zu diesem steifen und aalglatten Disco-Track nicht unbedingt gerne. Wenn sich Brandon Flowers' Falsett in "Rut" zu hymnischen Pianosounds im Nino-de-Angelo-Stil zu einer Melodie aufschwingt, die vor Pathos nur so trieft, dann hat man die Grenze zum Schlager längst überschritten. Den Tiefpunkt auf dieser Platte bildet diese Nummer aber keineswegs.
"Run For Cover" klingt, abgesehen von seinen wavigen The-Cure-Gitarren, wie der bemühte Versuch, sich Sympathiepunkte bei den Anhängern zu verschaffen, die sich ab "Day & Age" allmählich von der Band distanziert haben. Im Grunde zielen The Killers mit dem aufgeblasenen Refrain, der sich allerdings hervorragend im Ohr festsetzt, eher auf die großen Arenen rund um den Globus. Wenigstens treibt Ronnie Vannucci mit seinem repetitiven Schlagzeugspiel "Tyson Vs Douglas" wunderbar nach vorne. Von einer Rückkehr zu den Wurzeln kann man dennoch kaum sprechen.
"The Calling" schlägt dann gegen Ende endgültig dem Fass den Boden aus. Dave Keuning bedient sich auf diesem Track nahezu unverschämt an dem bluesigen Gitarrenklängen von Depeche Modes "Personal Jesus". Zusätzlich bettet man sie in einem schwülstigen und klebrigen R'n'B-Kontext ein. Selbst die von Stuart Price produzierte Discofox-Schmonzette "Out Of My Mind" reicht an das Fremdschampotential dieses Songs nicht heran.
Letzten Endes bläst die Band ihre Musik zu etwas Größerem auf, als sie ist. Die vier Musiker wollen mit dieser Platte alles auf einmal: mehr Bombast, mehr Hooks, mehr Kitsch. Wenn Brandon Flowers zum Schluss falsettartig zu sphärischen Electro-Pop-Klängen "Have All The Songs Been Written?" singt und Mark Knopfler seine letzten unmotivierten Akkorde zupft, sollte man dies auf jeden Fall als Warnung auffassen.
"Wonderful Wonderful" birgt wahrlich keine kreativen Höhenflüge. Das Album bietet zwei bis drei recht ansprechende Songs, der Rest taugt teilweise nicht mal mehr als B-Seite. Dass diese Band eventuell zu einem späteren Zeitpunkt mit einer relevanten Platte zurückkehrt oder gar in gigantische U2- und Bruce-Springsteen-Sphären vorstößt, kann man sich angesichts dieser Darbietung, über die man gut und gerne schweigen würde, schwer vorstellen.
15 Kommentare mit 6 Antworten
Na ja. Warum rezensiert ihr dir Band eigebtlich noch? Es ist doch offensichtlich, dass ihr ihnen nichts abgewinnen könnt.
Selbst das von den Kritikern so zerrissene "Day & Age" hab ich damals verteidigt, obwohl es sicherlich kein Meisterwerk ist.
Danach haben sie ihre Musik aber echt nur noch aufgeblasen, ohne dafür gute Ideen aufzuweisen. Mit dieser Platte habe ich es tatsächlich paar Mal versucht, aber es ging einfach nicht mehr.
@tonitasten Du vergisst in deiner Review ganz Some Kind Of Love, dass ich ziemlich stark finde. Noch dazu gehen DvsT, The Man und Run for Cover Live ziemlich ab und das gilt bei einer Live Band ja auch immer
Out Of My Mind ist tatsächlich schrecklich, aber der einzige wirkliche Ausfall des Albums mMn. der Rest ist zumindest solide. Und ist es schlimm wenn sich Songs wie Run an Sam's Town Hörer anbiedern? Solang der Song gut ist, ist mir egal wie sehr der sich anbiedert
Da war meine Erwartungshaltung vielleicht zu groß, dass es eventuell noch einmal in die Richtung von "Sam's Town" gehen könnte und dann kommt halt Stadion-Rock raus. Die besseren Songs funktionieren live sicherlich gut. Ohne Frage. Das macht es für mich trotzdem nicht zu einem guten Album. "Some Kind Of Love" war nicht unbedingt schlecht, aber es ist im Gesamtbild nicht besonders aufgefallen .
@uselessDM: dumme Frage. Weil es noch Menschen gibt, die gern darüber informiert werden möchten. Und die Chance, dass es ein gutes Album wird, war ja da.
Außerdem werden hier selbst Platten rezensiert, die es vielleicht nur wegen episch fiesen Kritiken gibt
"Und die Chance, dass es ein gutes Album wird, war ja da."
bei den killers?
der satz "Und die Chance, dass der HSV Deutscher Meister wird, war ja da." macht in etwa genausoviel sinn.
In Hinblick auf die Darbietung nicht der Rede wert. Man schleift sich halt irgendwie durch.
Das Album ist nicht schlecht. Es ist ganz gut. Es ist halt da. Es ist kein Meilenstein. Es fehlt an vielem. Man kann sagen, es ist egal. Aber es ist nicht schlecht!
Schon das Vorgänger-Album hatte nur ein paar gute Songs... Schade schade, aber sollen sie Spaß daran haben. Ich höre dann halt lieber andere Bands.
ich mag es, muss ja nicht immer alles schwer und tiefgründig sein, macht halt gute Laune finde ich...
ganz schwaches und schlimmes album
battle Born und DAY AND AGE hatten viele gute Songs drauf und nach mehrmaligem Hören konnte man sich an alle die songs erinnern
anders ist es hier total schlimm
superpeinlich auch dass die glücklich über #1 Platzierung in den USA sind
das ist nur etikettenscywindel, denn Albumverkäufe sind schwach und gering
und zum anderen kriegt jeder der ein Tour-ticket gekauft hat, die CD oder digital download dazu
Unterm Strich eine solide, etwas langweilige Platte, der es ziemlich an einem roten Faden und interessanten Experimenten fehlt. Wird definitiv kein später Klassiker wie Sam´s Town oder eine Synthie-Perle wie Day & Age werden, dafür mangelt es zu sehr an Ideen, interessanten Texten und dem ehemaligen Gespür für intelligent geschriebenen, zeitgeistigen Pop-Rock. Vielleicht liegt da auch das Problem. Was in der vergangenen Dekade mit etwas Experimentieren und der charmanten Sturheit, auch manchmal gegen Trends zu gehen, noch funktionierte, ist mittlerweile tatsächlich im Dad-Rock angelangt. Ja, "The Man" ist cool. Aber nicht Weltweites-Phänomen-Mr. Brightside-All These Things That I´ve Done-Human-cool.
Wahrscheinlich ist es aber ohnehin nicht nur das allgemeine Verändern der Popmusiklandschaft, in der die Killers dann doch in der Oberliga mitspielen wollen. Viel mehr ist es der Mangel an Charakter, einen Charakter, den sie früher zu Hauf hatten. Man kann "Tyson vs Douglas", "Have all the songs been written?" und "Run for Cover" schon laufen lassen und sich denken, dass das alles ganz nett und gut gemacht ist, aber begeistern kann es beileibe nicht. Es sind sogar die etwas seltsameren, stark christlich-durchtränkten Songs "The Calling" und "Wonderful Wondeful", die positiv als tatsächlich interessante Songs -sowohl instrumental als textlich- auffallen und etwas Charakter durchschimmern lassen. Daneben groovt "The Man" knackig und schillernd als Highlight des Albums, thematisch nicht mal zu weit von den beiden genannten Songs entfernt, auch wenn der fade Beigeschmack bleibt, dass hier auf Hit spekuliert wurde und nicht auf den besten Song eines durchschnittlichen Albums.
Aber ist das so schlimm? Nach drei exzellenten Alben, die unterschiedlichste Spielarten derselben Band-Idee ausloteten, und einer vierten Platte nahe am Totalausfall abzugsweise ein paar Songs, gibt es das unspektakuläre Wonderful Wonderful. Es ist ein Album, dass der Band hilft, wieder aufstehen zu können. Nach dem abrupten Stopp durch Album Nummer vier ist das merklich die Devise und die Killers wirken hier, als müssten sie erst wieder gehen lernen, um laufen zu können. Das haben sie nun geschafft. Und manchmal muss man ja eben auch erstmal Anlauf nehmen.
3/5