laut.de-Kritik

Gute Ideen im falschen Gewand.

Review von

Alisa Xayalith und Thom Powers sind wieder alleine in ihrer Band und kämpfen weiterhin dagegen an, nur auf ihren einen Hit "Young Blood" reduziert zu werden. Nach der letzten Platte "Simple Forms" sind die restlichen Bandmitglieder ausgestiegen, Powers und Xayalith haben es sich zur Mission gemacht, sich als Duo weiterzuentwickeln. Die Texte sind auf dem neuen Album deutlich persönlicher, emotionaler und direkter, die Musik dazu bleibt aber seltsam reduziert und elektronisch. Diese Diskrepanz zwischen Lyrics und Instrumentals, zwischen menschlichen Inhalte und roboterhaften Klängen, schadet dem Album.

Auf dem Debüt "Passive Me, Aggressive You" wirkte alles deutlich knalliger und melodieverliebter, das Zweitwerk "In Rolling Waves" klang düster und ambitioniert. "Recover" tritt nun leider den Pfad aus, den "Simple Forms" 2018 eingeschlagen hat. Alles sauberer, dichter und mit weniger Feingefühl für die entscheidenden Akzente. Dazu kommt, dass "Recover" mit seinen 50 Minuten Laufzeit auch spätestens im letzten Drittel langweilt, weil die Songs kaum Höhepunkte aufweisen und in ihrer unschuldigen Wohlklang-Ästhetik selten mitreißen. Wenn mal etwas gewagt wird, dann Elektronik-Experimente, die selten aufgehen. Das ist bedauerlich, weil man in jedem Song merkt, dass Powers und Xayalith gute Songwriter sind, deren Ideen nur leider nicht im richtigen Gewand sitzen.

"Come As You Are" ist ein gutes Beispiel. In einem sich ziehenden Pre-Chorus wird der Gesang von Xayalith mit heftigen, aufdringlichen Effekten belegt, die eher anstrengen, als dem Song etwas hinzuzufügen. Dass die richtige Hook dann ohne die Effekte auskommt und Xayaliths klarer Gesang deutlich eindringlicher ist, ist da eine ernüchternde Erkenntnis. In einem netten Twist cutten die Neuseeländer in "The Sound Of My Voice" für wenige Sekunden einen Großteil der Instrumente und damit den Pop-Bombast und lassen Powers Stimme und eine akustische Gitarre alleine stehen. Dieser kurze Moment verstärkt den Eindruck, dass weniger Effekthascherei dem Album gut getan hätte.

Andere Songs, wie "Well-Rehearsed" oder "(An)aesthetic", heben nie richtig ab und schleichen am Hörer vorbei. Bei den Stücken muss man aufmerksam zuhören, um zu merken, wann ein Song endet und der nächste startet, so unauffällig fließen sie dahin. Gelungener sind Stücke wie "Sunseeker", der einen eingängigen Gute-Laune-Refrain bietet und die Ideen der beiden Köpfe in einen runden Pop-Song schnürt. Schließlich fällt aber spätestens 2020 auf, dass die beiden Gesänge eine sehr geringe Bandbreite haben und sich so von Song zu Song auch kaum unterscheiden. Da ist zwar oft Druck dahinter, nur wünscht man sich einfach mehr Varianz .

Textlich wird es häufig direkt, bleibt aber dadurch auch immer einigermaßen platt. Im Opener, dem Titeltrack, heißt es: "I can't replace the loss of my mother / I can't replace the loss for my father". Hier geht das Prinzip mal auf. Die Lyrics werden mit erbaulicher Musik gepaart, was einen recht rührenden Track ergibt. In "Easy" wiederum säuselt Powers mit seiner Schmeichel-Stimme "Love, it's not a temporary escape / I can't do this anymore, I can't carry the weight". Auf dem weiten Feld Liebe haben The Naked And Famous kaum mehr als ein paar Plattitüden anzubieten, was wiederum recht symptomatisch für das Album ist. Hier wird nichts Neues geboten. Aber eben auch nicht viel von dem, was früher gut geklappt hat.

Trackliste

  1. 1. Recover
  2. 2. Sunseeker
  3. 3. Bury Us
  4. 4. Easy
  5. 5. Come As You Are
  6. 6. Everybody Knows
  7. 7. Echoes in the Dark
  8. 8. Well-Rehearsed
  9. 9. Monument
  10. 10. Death
  11. 11. Count on You
  12. 12. Muscle Memory
  13. 13. The Sound of My Voice
  14. 14. (An)aesthetic
  15. 15. Coming Back To Me

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2 Kommentare

  • Vor 3 Jahren

    Hab gerade mal reingehört und bin tatsächlich positiv überrascht. Nach den Songs, die man vorab schon hören konnte, hatte ich echt schlimmeres erwartet (Bury Me mal ausgeschlossen, der Song geht ziemlich gut ins Ohr).

    Zwar kommen sie nicht an ihre ersten beiden Alben ran, aber sie machen mMn qualitativ wieder einen großen Schritt in die richtige Richtung, nachdem Simple Forms ja leider ein ziemlicher Reinfall war. Ich bin mir sicher, dass sich nach ein paar weiteren Durchläufen hier die ein oder andere Perle herauskristallisieren wird.

    Ist halt mittlerweile ein anderer und ruhigerer Stil, aber wenn man sich drauf einlässt, kann man damit durchaus Spaß haben.

  • Vor 3 Jahren

    Um nicht als One-Hit-Wonder durchzugehen, mussten TNAF auf ihrem Debüt alles geben und hatten dort schon ihren ultimativen Sound gefunden. Die beiden Nachfolger konnten das natürlich nicht ganz erreichen.

    Insofern war es schon richtig, einen neuen Weg zu suchen. Mit "Sunseeker" sind sie auch schon auf dem richtigen Weg. Ähnlich interessant wie "Young Blood" nur mit völlig anderen, reduzierten Ansatz. "Bury Us" und "Come As You Are" könnten dagegen problemlos auf einem ihrer alten Alben stehen. Auch "Monument", nur ist dieser Song symptomatisch für das Album. Es fehlt die Power und man merkt das ein Teil der Band fehlt.

    Vielleicht wäre ein Album im alten Stil mit "Sunseeker" als Sommerhitsingle besser gewesen. Potential hat der Song auf jeden Fall.