laut.de-Kritik

"Das Leben ist wie Feuer, es brennt, und es wärmt."

Review von

Wäre "Thees Uhlmann" eine DVD-Box mit elf Filmen, verdiente sich "Zum Laichen Und Sterben Ziehen Die Lachse Den Fluss Hinauf" fette Award-Hoffnungen für den beschissensten Titel des Jahres. Doch B-Film findet nicht statt. Uhlmann hat nicht nur verdammt gute Drehbücher geschrieben - er weiß auch, wie man sie großartig in Szene setzt. Tretet sie in die Tonne, diese ganzen ahnungslosen Langweiler von Silbermond bis Mia.

"Ich kam auf die Welt / in einem Kadett / ein Poster von Littbarski / über meinem Bett / im Frühling 74 / Sternzeichen Widder / im kalten Krieg wussten wir / warum wir noch zittern / ein Finger in der Luft / zwei hinterm Rücken gekreuzt / ich werd' nie vergessen / wovon du Nachts träumst / das Leben ist hart / aber das nehm ich in Kauf / zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf." Die Akkorde sitzen, Emotionen bekommen unbeschnittenen Freigang.

Ein Killer-Opener, bei dem man fürchtet: was soll danach noch kommen? Doch Thees erfüllt furchtlos die alte Vorgabe des Hollywood-Moguls Samuel Goldwyn an seine Regisseure: "Beginnen sie den Film mit einem Erdbeben, und steigern sie sich dann langsam".

Uhlmann bietet kein belangloses Autoren-Kino, sondern lässt von Beginn an die große Cinemascope-Leinwand leuchten. Gleich einem Old Shatterhand, getrennt von seinen Winnetou-Tomte, macht er sich unverzagt auf den Weg in die deutsche Sehnsuchts-Prärie.

Thees' gefürchteter Nöhlgesang findet noch immer statt; doch hier viel gereifter, klarer in der Artikulation, ohrfreundlicher und erwachsener. Das Album-Cover erlaubt Assoziationen zu Springsteens "Born In The USA" - Artwork. In der Attitüde verweist "Römer Am Ende Roms" phasenweise auf Songs der Klasse von "It's Hard To Be A Saint In The City", inklusive vom Boss oder Dylan geborgter Mundharmonika.

Ist das alles noch Indie? Oder schon bös kalkulierter Pop? Auf jeden Fall macht das Ganze verdammt viel Spaß.
Das Fazit fällt ungeschränkt positiv aus - trotz ein paar weniger, nicht weiter ins Gewicht fallender Hänger. Ein unverbesserlicher Romantiker, dieser Uhlmann; unverzagt wartet er auf Die Schönheit Der Chance, während er sich an den Landungsbrücken Raus ein Kettcar nimmt, um damit den Buchstaben Über Der Stadt nachzujagen.

Abspann, Dunkelheit auf der Leinwand, Nachklang. Thees gelingt mit seinem Album ein seltenes Kunstück: nach Ende des Films weigert man sich hartnäckig, das Kino zu verlassen. Man will mehr, um dann erneut berührende Details zu entdecken, die einem zunächst entgingen. Wie die lakonische Feststellung: "Ich weiß, wie du aussiehst / während du schliefst". Ah. Da weiß jemand, wie es geht; da weiß jemand, wie Pop geht. Und Rock'n'Roll.

Trackliste

  1. 1. Zum Laichen Und Sterben Ziehen Die Lachse Den Fluss Hinauf
  2. 2. Die Nacht War Kurz (Ich Stehe Früh Auf)
  3. 3. & Jay-Z Singt Uns Ein Lied (Feat. Casper)
  4. 4. 17 Worte
  5. 5. Die Toten Auf Dem Rücksitz
  6. 6. Sommer In Der Stadt
  7. 7. Römer Am Ende Roms
  8. 8. Das Mädchen Von Kasse 2
  9. 9. Lat: 53.7 Lon: 9.11667
  10. 10. Paris Im Herbst
  11. 11. Vom Delta Bis Zur Quelle

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LAUT.DE-PORTRÄT Thees Uhlmann

Musiker, Tomte-Sänger, Autor, Labelchef – Thees Uhlmann gilt als prägende Persönlichkeit der deutschen Musiklandschaft. Am 16. April 1974 geboren …

27 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Ganz groß! Und glücklicherweise weder akutstisch noch auf anderen fremden Pfaden, wie es viele andere Musiker solo getan hätten. Uhlmann sieht darin keine Notwendigkeit. Seine Texte sind mal wieder recht typisch. Wer mit den Seelenstriptease mit verschrobener Wortwahl bisher nichts anfangen konnte, wird es auch dieses Mal nicht, auch wenn das Kryptische aus den Tomte-Titeln fehlt und die Songs klar auf den Punkt gebracht sind.
    Thees Uhlmann ist für mich das deutsche, wenn auch kleinere und weniger geniale Äquivalent zu Bruce Springsteen. Oder er ist ein zweiter, etwas anderer Sven Regener. Egal! Die Platte ist sehr, sehr gut!

  • Vor 13 Jahren

    Steht Tomte wirklich in Nichts nach, tolles Werk.

  • Vor 13 Jahren

    Review geht i.O., allerdings sollte der Schreiberling den Text von "zum Laichen und Sterben..." nochmals lesen und den Untertitel zum Artikel entsprechend anpassen...

  • Vor 13 Jahren

    Ich finde den auch ehrlich gesagt ziemlich nett. Ich habe Tomte bisher einmal live gesehen und die Interaktion zwischen Band und Publikum war locker und freundlich. In Interviews habe ich teilweise Angst, dass er sich zu einem zweiten Regener entwickeln könnte, meistens bricht er aber Erntshaftigkeit mit Humor und musikalischem Fachwissen, was mir sehr gut gefällt.

  • Vor 13 Jahren

    @murgrain (« Ich hab ja mit Herrn Uhlmann ein Problem seitdem ich ihn vor ein paar Jahren mit Tomte in Köln live gesehen habe und er dort furchtbar lustlos sein Song-Programm runtergespult hat (inklusive ganz dummen Gag in "Ich sang die ganze Zeit von Dir"). DAS hätte sich Springsteen nie erlaubt, nur so viel mal zu diesem gewagten Vergleich. Aber vielleicht kann ich mein persönliches Frusterlebnis ja mit diesem Album überkommen, was ich bisher gehört habe, klingt wirklich gut. »):

    ja mann, wenn sich jemand live anmerken lässt das er/sie überhaupt kein bock ham grad zu spielen und gelangweilt des pflichtprogramm runternudeln kann des einiges kaputt machen, hatte des bei "Death Angel" und einmal bei "Wir sind Helden" ( war allerdings wohl ne ausnahme, hab die noch 2mal weitaus besser gesehen )... Tomte fand ich live egtl. immer geil, von daher....
    ... das album selber war bewusster blindkauf, überzeugt mich aber nicht wirklich, schade...

  • Vor 13 Jahren

    Die Zeit ist endlich Reif für bezaubernden Lyrischen Deutsch Rock-Pop.
    Man siehe auch die Herren Bendzko und Bourani eine neue Generation nach Silbermond Co.
    Geniale Songs die Thees da anbietet, endlich mal wieder einer der richtig gut Deutsch zu singt und dabei sich auch traut seinen eigenen Stempel auf zu drücken. Sehr schöne Prosa und geniale Titel, die leider nicht jeder halbbemittelte Kritiker versteht! (Nicht wahr, H
    err Schulz ;-)