laut.de-Kritik

Stuttgart, Berlin, Tokyo - Tiefschwarz.

Review von

Dass Berlin seit geraumer Zeit die Technohauptstadt der Welt ist, weiß man nicht erst seit sogar Detroit-Gott Richie Hawtin seinen Hauptwohnsitz dorthin verlegt hat. Welch positiven Einfluss diese Stadt, die Techno geradezu atmet, auf das Wirken und Schaffen von Musikern und DJs haben kann, lässt sich wunderbar am Beispiel von Tiefschwarz im Allgemeinen und ihrem neuen Album "Eat Books" im Besonderen aufzeigen.

Denn seit die Gebrüder Schwarz mitsamt ihrem kongenialen Mitstreiter Jochen "Schmaler" Schmalbach von S nach B zogen, haben sie als DJs, noch mehr aber als Produzententeam, nochmals einen beachtlichen Sprung nach vorne gemacht. Dass diese Entwicklung nicht nur am neuen Wohnort festzumachen ist, ist schon klar. Dennoch ist es auffällig, dass sich Tiefschwarz fast genau seit ihrem Ortswechsel auf dem Weg zu einem Fixstern am Technohimmel befinden.

Mögen auch manche der Lobeshymnen, die man da so zum Teil aus ihrem Umfeld vernimmt, ein wenig zu enthusiastisch ausfallen, so bleibt doch gar klar zu konstatieren, das die drei mit "Eat Books" einen weiteren, nicht zu übersehenden Beweis ihrer großen Kreativität und Stilsicherheit liefern. Die beiden DJs und ihr "Drummer" wissen einfach, dass es a) grooven muss, und b) wie man das am besten anstellt, dass es groovt. Schon die ersten Takte des Openers mit dem vielsagenden Titel "Warning", belegen dies. Locker und lässig rollen die Beats da vor sich hin, woran sich im weiteren Verlauf des Albums auch nichts ändert. Bei den Beats stimmt schon mal alles.

Interessant ist die augenscheinliche Songorientierung, die "Eat Books" einschlägt. Mehr als 2/3 der 12 Stücke sind eigentlich eher Songs als Tracks. Songs - oft auch mit Gesang, genau. Und so funktioniert "Eat Books" nicht nur auf dem Dancefloor, sondern auch wunderbar im Wohn- und auch Schlafzimmer. Da kann man schon beinahe so etwas wie ungebremsten Popappeal heraushören. Besonders auffällig ist das bei "Damage", einer Techno-Pop-Nummer mit zarter Acid House Bassline. Und da mir persönlich die ultrarepetitiven endlosen superminimalen Klangforschungen vieler v.a. deutscher Frickler ja schon längerem fast bis zum Krawattenknoten stehen, laufen mir Stücke wie "Warning", "Wait And See" (mit Chikinki-Sänger Matty Safer) oder eben erwähntes "Damage" sehr gut rein.

Zumal die Instrumentals auch recht häufig eine eher songartige Struktur haben, was jetzt nicht als Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, Solo, Refrain, Refrain, Fade Out (KLF lässt grüßen) zu verstehen ist. Da knackt schon öfter mal der Technofritze durch die Speaker, wie beispielsweise bei der vorletzten TS-Maxi "Issst", das so ein bisschen in die Black Strobe Ecke ballert. Ab und zu kommt die Erinnerung an die seligen On-U Zeiten hoch, wenn wie in "Fly" der Acid lustig in der Disco vor sich hinzwitschern darf. Das ist dann zwar nicht immer alles gaaaaanz meganeu und waaaaahnsinnig innovativ, aber es rockt halt zuverlässig. Und das ist doch schon mal was. Ziemlich viel sogar.

Bleibt noch festzustellen, dass sich Tiefschwarz nach den wirklich monströsen (im positiven Sinne versteht sich) Remixaktivitäten der vergangenen zwei Jahre (siehe "Misch Masch") mit "Eat Books" auch als eigenständige Produzenten auf ein neues persönliches Niveau gebeamt haben. Der Vorgänger "RAL 9000" ist schließlich auch schon drei Jahre her und spiegelt eine ganz andere musikalische Phase der Brüder wider. Eine Phase in der die Sounds noch nicht so säuregesättigt und artifiziell waren wie auf "Eat Books". Dass diese Sounds so ganz nebenbei auch noch wie aus einem Guss daherkommen, ist sicher auch ein großer Verdienst vom Produzenten Schmalbach, der offensichtlich so lange an ihnen herumdreht, -frickelt und -schraubt, bis einfach alles stimmt. Eat Books? Eat Music!

Trackliste

  1. 1. Warning
  2. 2. Troubled Man
  3. 3. Wait And See
  4. 4. Fly
  5. 5. Damage
  6. 6. Far East
  7. 7. Artificial Chemicals
  8. 8. Schmetterlings Flügel
  9. 9. Benedikt
  10. 10. Wheels Of Fortune
  11. 11. Original
  12. 12. Issst

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