laut.de-Kritik
Ein Stinkefinger für die Grauzonen des Lebens.
Review von Kai ButterweckTiemo Hauer ist Mitte zwanzig, sieht gut aus, kann singen und spielt zudem noch Gitarre und Klavier. Auf den ersten Blick die perfekte Kombination für nicht enden wollende Feuchtträume zwischen Pausenhof und Jugendzimmer.
Doch im Gegensatz zu anderen einheimischen Jungspunden, die mit eben jener Fassade auf Kreisch- und Tränenfang gehen, stehen bei den Konzerten von Tiemo Hauer auch jede Menge kopfnickende "Erwachsene" vor der Bühne. Das liegt vor allem daran, dass der Stuttgarter seiner vermeintlich glatt polierten Oberfläche ein anderes musikalisches Begleitpaket zur Seite stellt als die Herren Bendzko und Co.
Statt blutleeren Fernsehgarten-Tralalas serviert Hauer seinem Publikum nämlich lieber ausgereifte Singer/Songwriter-Kost mit Ecken und Kanten. Bereits auf seinem DIY-Zweitwerk "Für Den Moment" muckte der schwäbische Vermarktungsverweigerer mächtig auf und bewies auf eindrucksvolle Art und Weise, dass man als junger deutscher Songschreiber auch auf Buckelpisten und staubigen Pfaden zum Ziel kommen kann.
Auf seinem neuen Album geht Tiemo Hauer sogar noch einen Schritt weiter. Gleich zu Beginn vermischen sich trippelnde Piano-Klänge mit knarzigen Indie-Pop-Einwürfen, während der Sänger den Grauzonen des Lebens mit rotzigem Timbre den Stinkefinger zeigt ("Ganz Oder Gar Nicht").
Auch das psychedelisch angehauchte Atmo-Drama "Sigur Rós Im Regen", das pompös instrumentierte "Herz/Kopf" und die sich in Richtung Post-Rock entwickelnde Ballade "Was Dich Nicht Umbringt" zeigen, dass Tiemo Hauer musikalisch noch längst nicht alle Facetten ausgereizt hat.
Neben massenkompatiblerem Seelenstriptease ("Viel Erlebt", "Ich Seh Dich Nicht", "Adler") und aufwühlenden Kammerspielen ("Vielleicht Muss Ich Gehen", "Wegen Mir"), schiebt der Sänger immer wieder spannende Noise- und Indie-Pop-Momente dazwischen, die vor allem eins machen: Lust auf mehr.
Wer also glaubt, dass zwischen all den mutlosen Singsang-Marionetten der Republik kein Platz mehr ist für einen rauchigen Gegenpol, der wird spätestens nach diesem Album mit einem Lächeln im Gesicht die Augenbrauen hochziehen. Applaus.
5 Kommentare mit 12 Antworten
Es geschehen noch Zeichen und Wunder, meine Wenigkeit geht da cor mit KB. Allerdings dieser Schlingel ist ein Wiederholungstäter, schon beim letzten Longplayer von Tiemo war da was mit dem Fernsehgarten. Auch schlüpfrige Anspielungen in Richtung „verdammt junge Mädels die mit Schlüppern winken“ finden sich des öfteren bei KB. Ich bin schon verdammt alt und hab keine Schlüpper mit denen ich winken könnte. Jedenfalls finde ich das seltsam im Kontext, das da ein junger Mann ist, der tolle deutschsprachige Texte auf gute Mucke singt, dessen Songs/Lieder sich nicht verstecken müssen hinter älteren deutschsprachigen Singer/Songwritern. Früher hissen sie Liedermacher. Jemanden mit 47 darf so einer gerne einen guten Song um die Ohren singen.
Bin jedenfalls etwas irritiert, meine Stinkerschlüpper möchtest doch wirklich nicht haben oder?
Weil ich höre gute deutschsprachige Männer oder Frauen, ob jung oder alt, mit den gleichen feuchten Augen und dem gleichen Gefühl wie vor 30 Jahren schon. Und allenfalls bei Udo L. sind tatsächlich ein paar Schlüpper und andere Sachen die nackte Tatsachen bedecken, Richtung Bühne geflogen. Gelogen, bei Robbie Williams hat mich mal eine Horde blutjunger Hühner regelrecht überrannt mit Verzückung am schreien im Chor: „Robbie, ich will ein Kind von dir!“ Fand das diskriminierend für den armen Robbie, so viele kann der sicher nicht gleichzeitig beglücken. Aber der singt auch nicht auf Deutsch.
Gruß Speedi
da cor? Öhem, ja.....
Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.
sollte wahrscheinlich darkcore heißen und es sind beim tippen ein paar buchstaben verloren gegangen.
Oder "Da Chor", das evangelische Hip Hop Projekt einer Konfirmandengruppe in Freckenhorst.
Du meinst wohl "Da Choir" die neue Rap-Crew um Eric Cartman, nachdem er bei Faith +1 aufgehört hat.
Vielleicht meint er auch Dal Core, das indische Punkrock-Restaurant in Friedrichshain, wo es nur vegane Gerichte auf Linsenbasis gibt?
wirkliche klärung kann da wohl nur ein universalübersetzer aus dem hause "fernet-branca " bringen
Das wird nicht klappen. "Forscher" haben doch letztens herausgefunden, dass der gar keine magischen Kräfte hat http://neue-rheinpresse.de/wissen/alles-lu…
dietmar f. "ich war einfach nur besoffen wie ein schwein!" rofl
http://www.wie-sagt-man-noch.de/synonyme/d…
Ich hege im geheimen Vorurteile gegen Redewendungen mit Migrationshintergrund.
Sapperlot, da haben wir den Schlamassel. Souli ist Lingu-Rassist.
Rabindranath D'accord
Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.
Marteria -> Pixies -> Ought -> Michael Jackson -> Morrissey-> Honeyblood -> Tiemo Hauer (die Interpol ist durchgefallen). Dieses Jahr hat man einen Nummer Eins Favo, dann kommt im naechsten Monat eins was noch besser ist. Ob das jetzt fuer ein gutes Jahr steht, oder beweisst dass 2014 keine festen Favos erscheinen, muss ich noch entscheiden. Bin ja der Meinung dass es nach 2010,11(besten jahre ever) immer weiter bergab geht. Das Tiemo Album ist auf jeden Fall klasse. Stellt fuer mich sogar sein Debut in den Schatten. Wird immer besser der Knabe. Und Adler ist sowas von stark.
Über die letzten Tage regelmäßig gehört. Kann auf jeden Fall überzeugen und es freut mich, daß er sich weiter entwickelt. Von Tiemo Hauer darf man noch einiges erwarten.
Gruß
Skywise