laut.de-Kritik
Endlich finden Anspruch und Eingängigkeit zusammen.
Review von Ulf KubankeDie Platten von Till Brönner, dem deutschen Goldjungen des Jazz, waren bislang entweder verdammt gut oder polierte Ärgernisse. "The Good Life" aber ist echtes Tafelsilber und eine glühende Liebeserklärung an die Kraft der Romantik.
Die dreizehn Neuinterpretationen von Klassikern auf "The Good Life" kennzeichnen eine bedeutende Weiterentwicklung. Mit einer großartigen Allstar-Truppe verdienter Veteranen quadriert Brönner den eigenen Musikkreis. Obwohl die Songs allesamt ein breitenwirksames, recht eingängiges Naturell besitzen - und Brönner dieser Poppigkeit gewohnt inbrünstig huldigt - gibt es zahlreiche raffinierte Passagen und Ensemble-Ideen.
Was auf den ersten Blick auf dem Papier nach Mittelweg und Kompromiss klingen mag, entpuppt sich auf dem Platz als Konzept beeindruckender Ästhetik und Feinjustierung mit Sinn fürs Detail. Große Teile dieses Triumphs gehören - wie so oft - der Crew. Das fängt schon beim Klangbild an. Alles klingt dermaßen transparent, saftig und elegant ausbalanciert. Ein echtes Highlight für Soundfetischisten.
Brönners Band besteht aus John Clayton (Bass), Jeff Hamillton (Drums), Larry Goldings (Piano) sowie Anthony Willson (Gitarre). Hamilton, der u.a. bereits mit Milt Jackson (Modern Jazz Quartet) oder Ella Fitzgerald arbeitete, ist ohnehin ein alter Bekannter Brönners. Sein Drumming bietet das perfekte Fundament.
Absoluter Überflieger und gar nicht so heimlicher Star ist jedoch Goldings. Der Pianoman ist im schwitzenden, sexy Groove (u.a. mit Maceo Parker) genau so zu Haus wie in komplexen, abstrakten Strukturen. Beide Karten spielt er songdienlich aus. Sobald seine Tasten die Initiative übernehmen, wird es richtig, richtig geil. Absolute Killer: Das fröhliche Solo in "Come Dance With Me", das Erobern von "I'm Confessin' That I Love You" plus Göldings sanfte Einlage im brillanten "O Que Resta".
Trotz all dieser Superlative muss man zwischendurch auch immer etwas tapfer sein. Denn TB singt mal wieder. Er macht das gut und sich selbst einmal mehr zum lebenden Weichzeichner. Auch orientiert er sich gesanglich erfreulicherweise nicht an den berühmten Vorlagen von Sinatra und co. Doch jedesmal wenn er die Trompete auspackt, ist das berauschende Charisma seiner metallenen Stimme um so viele Welten berückender, fesselnder und anfixender. Man möchte diese Klänge nicht mehr zugunsten irgendwelcher Ladidah-Worte missen, die die jeweilige Nummer wegen der starken Instrumentalparts ohnehin nicht mehr benötigt. Das Horn ist "The Voice".
So haut er eine zwingende Version von "I Loves You Porgy" heraus. Kein leichtes Unterfangen, hier in den Ring mit definierenden Varianten von Billie Holiday, Nina Simone und Bill Evans zu steigen. Gleichwohl ist Brönner immer dann besonders gut, wenn er sich jeglichen Drucks entledigt. Der Gershwin liegt ihm atmosphärisch sowieso.
Rein instrumental nähern sich Band und Trompete diesem Evergreen und erschaffen eine wundervolle Mischung aus Ballade und Stilleben. Während Brönner die Kaminzimmer-Stimmung anknippst, bereiten Hamilton und co im Hintergrund einen funkelnden, dabei ambient-stillen See, auf dem die Leadmelodie sanft dahingleitet. Kaufempfehlung für Jazzmuffel und Kenner gleichermaßen.
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