laut.de-Biographie
Tim Exile
"Ich weiß wirklich nicht, wie ich einen Track erschaffe. Es ist eine Symbiose aus mir, meinem Körper und meinen Computern. I do something to them, they do something to me in response." Einer der spannendsten IDM- und Drum'n'Bass-Produzenten unserer Zeit ringt hilflos um Worte.
"Anfangs hab ich ja einfach nur freakig aufgelegt. Dann wurde der Live- und Improvisationscharakter immer stärker." Anfangs, das ist Ende der Neunziger, als Tim Exile, der eigentlich Tim Shaw heißt, seine ersten Drum'n'Bass-Singles privat verschiebt. Im südenglischen Brighton (Fatboy Slim, Fujiya & Miyagi, Bonobo) sieht der Ex-Violinschüler seine Möglichkeiten im Genre aber recht bald ausgeschöpft. Kein Wunder, experimentiert Exile doch seit seinem zwölften Lebensjahr mit elektronischer Musik.
Er beginnt ein Philosophie-Studium, widmet sich im Anschluss daran dem Studium der Elektroakustischen Komposition an der Universität Durham. Zu dieser Zeit entsteht das Debüt "Pro Agonist". In der De-Bug blickt Exile zurück: "In der Zeit hatte ich dieses Interesse für Drum and Bass, aber auch für Breakcore. Es ging um die totale Perfektion. Ich habe den Eindruck, dass da der Schuljunge in mir durchgegangen ist. Ich denke, das war mein post-akademischer Orgasmus, die totale Präzision."
Die Nachwehen sind schwer, denn der Engländer sieht seine Möglichkeiten in Sachen Produktion und Präzision vorläufig ausgeschöpft. In der Folge konzentriert er sich stark auf die Darbietung seiner Musik vor Publikum. Schon bald gehört der leidenschaftliche Windsurfer, der seine Platten auf dem legendären DnB-Label Planet Mu sowie auf Warp Records veröffentlicht, zu den absoluten Cracks in Sachen Live Electronics.
Als Zeremonienmeister der Improvisation frickelt er via Joystick die gegensätzlichsten Soundfragmente zusammen, weshalb sich vor ihm gerne mal Punkkid und Elektronica-Jünger in Einigkeit die Hand halten. Sein Kabarett aus Breakcore-Gewitter und Gabba-Ausflügen zieht durchaus unterschiedliche Gemüter an – ein Herz für Spontaneität und Freigeist vorausgesetzt. "Ich versuche die Musik dabei wie in einem Varieté zu präsentieren. Es geht mir darum, total unterschiedliche Musik zusammenzubringen."
Eine heterogene Live-Compilation namens "Nuissance Gabbaret Lounge" und eine Zusammenarbeit mit Native Instruments: die folgenden Lebenszeichen des Tim Shaw erscheinen da fast zwangsläufig. Die Berliner Musiksoftware-Entwickler holen ihn in die Hauptstadt, um mit ihm am Studio-Programm Reaktor zu arbeiten. Es soll, so des Neu-Berliners Vorstellung, besser an die Anforderungen moderner Live Electronics angepasst werden.
Sein Traum der perfekten Live-Performance fällt entsprechend fantastisch aus: "Ich stell mir das wie DJing vor, aber eben nicht mit Platten, sondern mit Musikern. Dann könnte ich diese auch manipulieren ..." Auch auf sich selbst gestellt sieht Exile keine Grenzen des Machbaren. So darf man ihn auf YouTube beim Live-Remixen eines Symphonie-Orchesters oder der Barack-Obama-Vereidigungsrede beobachten. Eine Symbiose aus Kopf, Körper und PC macht's möglich.
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