laut.de-Kritik
Der Battles-Kopf übt sich in Neuer Musik.
Review von Matthias MantheDie Battles mögen von der Kritik ja als die prominentesten Math/Freakrock-Nerds zur Zeit gelistet werden. Aber eigentlich ist die Formation bloß das Popventil von Tyondai Braxton. Der Mann, der via mehrfach durch den Vocoder geschubster Stimme sowie ausgeweidetem Gitarrenspiel schon bei Battles eine dritte Gehirnhälfte einfordert, versteht sich nämlich eigentlich als Spezi in Sachen Neue Musik.
"Seit mehr als einer Dekade arbeitet Tyondai Braxton, Sohn des legendären Jazzers und Philosophen Anthony Braxton, bereits am Feintuning seines einzigartigen Ansatzes als Künstler." Ein gehobener Anspruch, dem "Central Market" gerecht wird, dessen ästhetisch herausfordernde Stücke zwischen Sinfonie und Filmmusik changieren.
Erstmals setzt der Amerikaner dafür auf ein richtiges Orchester. Gemeinsam mit einem New Yorker Avant-Ensemble webt er aus analogen wie digitalen Klanggebern (die er vor der Aufnahme für einen natürlicheren Sound durch die PA jagt), feingliedrige Patterns fürs Auditorium.
Unter Einsatz von Flöten, Streicher-Arppegios, Trompeten, Klarinetten, Springteufeln und Entenpfeifen einerseits, pompösen Marching Drums, Acidgitarren und elektronischem Kammerflimmern andererseits, profiliert sich Braxton diesmal nicht als irgendwie Indie-geerdeter Postrock-Artist – er inkarniert hier den progressiven Komponisten, der sich Inspiration von Igor Stravinskys "Der Gesang Der Nachtigall" holt.
Er zelebriert zwar das klassische Prinzip von Aufbau und Erlösung, bringt die Harmonien jedoch regelmäßig mit psychedelisch anmutenden Breaks aus dem Takt, bis ein versatzstückartiges Mosaik entsteht. Der an der Neuen Musik ungeübte Hörer wird sich eher an Märchen à la "Peter Und Der Wolf" erinnert fühlen als an stringente Orchestermusik.
Dieses zweite reguläre Studio-Solowerk sollte aber nicht als bloße intellektuelle Distinktionsgeste verstanden werden, schon allein weil Braxton die Fundamente aus dem Battles-Universum - viele Klanggeber sowie der grundlegende Abstraktionsgrad werfen hier Parallelen auf - zu keinem Zeitpunkt abzustreifen oder gar zu überwinden versucht. Stattdessen spinnt er die bekannten Fäden in ungeahnte, jedoch plausible Richtungen weiter.
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