laut.de-Kritik
Ein gelungenes Paket.
Review von Sven KabelitzErnsthaft, Bear Family? Bitte wer braucht heute noch einen weiteren NDW-Sampler? Schämt ihr euch nicht? Die Elektromärkte und Online-Versandhändler quellen doch bereits jetzt über mit lieblos zusammengerotzten Kompilationen, auf denen sich die immer gleichen Songs wiederholen und wiederholen und wiederholen. Irgendwo, irgendwie und irgendwann dudelt immer "Major Tom", "Sternenhimmel", "Der Knutschfleck", "Sommersprossen" und "Fred Vom Jupiter" aus den Boxen. Im Gestern gefangen, bis in alle Ewigkeit.
Okay, Luft holen. Tatsächlich schafft es "Aus Grauer Städte Mauern" das Thema interessant aufzuarbeiten. Hier hat sich jemand ausgetobt, der dem Genre verfallen ist, dessen Geschichte und die Perlen abseits des Ausverkaufs kennt. Als würde die beachtenswerte Songauswahl nicht ausreichen, verfeinert ein 152 Seiten starkes Booklet, das vor Informationen nur so übersprudelt, das gelungene Gesamtpaket.
Selbst wenn der Sampler auf alte Bekannte wie Trio, Andreas Dorau, Nena oder Markus zurück greift, gibt er sich die Mühe, auf eher unbekannte Stücke auszuweichen. Leider schlägt im Gegenzug das Wiedertreffen von Extrabreits "Flieger Grüß Mir Die Sonne", Spider Murphy Gangs "Skandal Im Sperrbezirk" und vor allem Spliffs kitschigem "Heut' Nacht" um so unangenehmer auf. Nicht, dass diese Songs etwas von ihrer Energie verloren hätten, aber leicht hätte man bei den Künstlern ausgefallenere Alternativen finden können.
"Ich kann mich gar nicht entscheiden / ist alles so schön bunt hier", aus dem eröffnenden "TV-Glotzer" der Nina Hagen Band bringt es auf den Punkt. In der Vielfalt, die nur drei Buchstaben zusammen halten, versteckt sich so viel mehr, als uns NDW-Parties und die Hit-Giganten weismachen wollen. Stattdessen versammelten sich im Ballpool des Genres Einflüsse aus New Wave, Punk, Rock, Pop, Schlager und Dilettantismus.
Das düster politische "Heimatlied" von 1. Futurologischer Congress, der disharmonische Avantgarde-Dark Wave aus Malarias "Laufen" und Interzones bitteres Drogen-"Kinderlied" haben so gar nichts mit der späteren "Ich Will Spaß"-Kultur gemeinsam. Alexander Hacke firmiert im verstörenden "Hiroshima" noch als Alexander Von Borsig, bei Zatopeks "Dispofunk" greift der junge Sven Regener zum Flügelhorn und Nena quietscht sich noch auf englisch durch The Stripes' "Tell Me Your Name".
Die an sich grandiose Erste Allgemeine Verunsicherung wirkt mit "Ba-Ba-Banküberfall" hingegen fehlplatziert. Morgenrots breitbeiniges "Johnny's Traum" muffelt schon arg nach Peter Maffay. Mit Cosa Rosas "Millionenfach" und Relaxs fußnagelaufkringelnden "Weil I Di Mog" setzt langsam die zunehmende Diether Thomas Heckisierung der NDW ein. Gerade auf den letzten Song hätte man wirklich verzichten können.
Auf "Aus Grauer Städe Mauern" folgen noch drei weitere Teile, die die Geschichte der NDW komplementieren sollen. Zusammengenommen geben die Rückseiten der Sampler ein geschlossenes Bild - und machen sich somit super neben der vollständigen "Lustiges Taschenbuch"-Sammlung.
1 Kommentar
Exzellente Compilation! Fast alle der alten Hits drauf.