laut.de-Kritik
Wenn Akustikgitarren pfeifende Kugeln imitieren ...
Review von Giuliano BenassiBear Family Records ist ein kleines, dafür umso feineres Label. In einem alten Bauernhof in Holste-Oldendorf in der Nähe von Bremen angesiedelt, hat es sich seit 1975 international einen Namen mit Raritäten, vor allem aus den USA gemacht.
So verdanken wir ihr einen frühen Auftritt von Johnny Cash und viele andere Sammlungen in so liebevoller wie aufwändiger Verpackung. Den 33. Geburtstag feiert Bear Family nun auf besondere Weise: Drei CDs (mit den Untertiteln "33 1/3", "33 2/3" und "33 3/3") mit jeweils 33 Stücken, die sich dem Rock'n'Roll, Rhythm And Blues und Country widmen. Eine Reihe, die im Laufe von 2008 erschienen ist und die die vorliegende CD ("Country, Western, Bluegrass & Instrumental Classics") abschließt.
Insgesamt also 99 Stücke, die eine nostalgische Aura verbreiten, aber nicht verstaubt klingen. Das liegt einerseits an der Tonqualität, andererseits an der geschickten Zusammenstellung. Dabei geht es weniger um die Begleitung - meist Akustikgitarren, Kontrabass und Schlagzeug, manchmal auch Fiddle, Ziehharmonika oder Klavier - sondern um die Geschichten, die die Sänger erzählen. Wer sich die Mühe macht, den Texten zu lauschen, dürfte immer wieder seinen Spaß haben.
Robert Fuller müht sich mit dem Bonanza-Abklatsch "Riding – Fighting" auf Deutsch ab, während Jenks Tex Carman mit seiner Akustikgitarre versucht, die pfeifenden Kugeln des Sezessionskrieges nachzuahmen. Leon Chappel beschwert sich über Neuerungen wie Wasch- und Spülmaschinen, die seine Frau von ihm entfremdet haben ("That new electric washer made your headaches disappear, you used to hang out washing, now you hang out drinking beer.").
Jimmy & Johnny gehen auf Brautsuche ("If you don't kiss me, babe, somebody else will"). Jim Silver beklagt sich mit weiblicher Begleitung, dass sich das Herz seiner Angebeteten ändert wie die Jahreszeiten, Goebel Reeves singt dagegen ein Wiegenlied für gebeutelte Hobos.
Noch nie etwas von all diesen Interpreten gehört? Kein Problem. Außer Carl Perkins ("Blue Suede Shoes" ) mit dem Titeltrack und Anita Carter (Schwester von Johnny Cashs Frau June) mit "Ring Of Fire" sind die meisten anderen Namen so gut wie unbekannt. Der Qualität der Zusammenstellung tut das keinen Abbruch, im Gegenteil: Die Güte zeigt sich gerade darin, dass es keine Durchhänger gibt, und das Album immer wieder überrascht und zum Schmunzeln bringt.
Die Jubiläumsreihe bietet einen Überblick über populäre US-amerikanische Musik, wie es die Sammlung des Smithsonian Institute mit der "Anthology Of American Folk Music" in den 1950er Jahren tat, nur in unterhaltsamer und weniger akademischer Weise. F
Fügt man hinzu, dass jede CD schlappe fünf Euro kostet, gibt es eigentlich keinen Grund, sie sich nicht zuzulegen, zumal im Booklet zu jedem Stück das Cover des dazugehörigen Albums abgebildet ist. Happy Birthday, Bear Family. Vielen Dank für eure Leidenschaft.
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