laut.de-Kritik

Ein Marsch durch die Phasen der Trauer.

Review von

"Zu behaupten, das Ende von Women sei zum Heulen gewesen, wäre ein glatter Euphemismus", resümiert mein guter Freund Andreas vor geraumer Zeit. Er habe die Truppe damals in Brighton gesehen, und, verdammt, hatte ihnen eine leuchtende Zukunft attestiert. Doch auch sein sensibler Spürsinn sah das zynische Aus der Band nicht kommen.

Zuerst zerstritten sich die Kanadier – eben hatten sie noch ihrem entspannten Post-Punk gefrönt – heftig auf der Bühne, was in einer Auszeit mündete. Der Tod des Gitarristen Chris Reimer im Jahr 2012 gab der Combo dann den Rest.

"Viet Cong", so hat man das Gefühl, handelt unter anderem genau davon. Das Album wirkt wie ein retrospektiver Marsch durch die viel zitierten Phasen der Trauer. Matt Flegel und Michael Wallace, damals Bassist und Drummer von Women, scheinen nun mit Viet Cong das richtige Instrument gefunden zu haben, um das Erlebte zu verarbeiten.

Um zwei weitere Mitglieder ergänzt, berufen sich Flegel und Wallace durchaus auf Women, deren Sound sie natürlich maßgeblich geprägt hatten. Wer in Kombination mit seiner musikalischen Vita seiner neuen Band einen derart sprechenden Namen gibt, der hat ein Ziel vor Augen. "Viet Cong" treibt hörbar der Wille, sich selbst von alten Zwängen zu befreien, dafür zu streiten, etwas abgeben zu dürfen.

Viet Cong provozieren stets einen düsteren, lebensverneinenden Lo-Fi-Sound. In "March Of Progress" schaffen die Gitarren sofort eine wabernde Ursuppe. Auf dieser Dynamik bauen rhythmisch sprudelnde, an den Rändern ihres Klangs undefinierte Drums auf. Ein Sinnbild für die Platte, die ihre dystopisch anmutende Lautmalerei in alle Genre-Richtungen ausfranst.

Ebenso sinnbildlich, wenn sich in "March Of Progress" eine Melodiespur durch den bohrenden Takt wiegt, sich auf zwei Tönen bestehend im Rhythmus hebt und senkt, als sei man gefangen in einer ewigen Szene minimalistisch angeordneter, puristischer Soundelemente, die gleich wieder von Vorn beginnt.

Wollten Viet Cong anfangs noch wie ihre Landsleute Metz mit dem Beil durchs Gebälk, klingen die Kanadier streckenweise fast ruhig und reflektiert, ohne wirklich leise zu werden. Die gesamte Platte formuliert eine dröhnende Absage an Übersättigung und Brechreiz: "Slowly, this commotion leads to nausea."

"Bunker Buster" demonstriert kontrolliertes Chaos, wenn der Vierer aus dem scheinbaren Durcheinander immer wieder diese catchy Synth-Melodie entwickelt. In der Single "Continental Shelf" initiieren die Gitarren von Anfang an eine Melodie, der Grunge-Bass als Gegenentwurf torpediert allerdings diese Idee. Spielend nehmen Viet Cong im Refrain die Schwere heraus, als seien sie sich dieser niemals bewusst gewesen.

Als letztes der sieben Stücke steht da ganz greifbar "Death", ein elfminütiger, epischer Monolith. Zuerst verhältnismäßig melodische Gitarren, dann Geschrei. Der Track macht, was er will, und rückkoppelt sich in alle Richtungen, während die Bassgitarre ruhig ihre Oktave umspielt.

Wenn nach der Hälfte schon alles vorbei zu sein scheint, dann brüllt der Track erst richtig los, stürzt sich in kommentarlosen Abriss, bevor Matt Flegels Stimme den Song verhallen lässt. Bezeichnend, hinterlässt er damit den Eindruck, als hätten Viet Cong mit ihrem Anfang schon etwas Dringendes zu Ende gebracht.

Trackliste

  1. 1. Newspaper Spoons
  2. 2. Pointless Experience
  3. 3. March Of Progress
  4. 4. Bunker Buster
  5. 5. Continental Shelf
  6. 6. Silhouettes
  7. 7. Death

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