laut.de-Kritik

Vom Säuferblues zur Radiosentimentalität.

Review von

Zehrt der Schnaps erst den Körper aus und dann das Hirn – oder umgekehrt? Im Sinne einer lebensreformierten Ganzheitlichkeit mit Bieryoga und Heurigenmeditation ist das scheißegal. Das Saufen ist eine Achterbahn, Quell von Energie und Selbstmitleid. Irgendwann aber wird's nur noch dumpf und traurig. Wenn der Fusel keine Worte mehr hat, wird es Zeit für den sanften Entzug. Marco, Sänger von Wanda, bezeichnete sich einst selbst als professionellen Alkoholiker. Beruflich orientiert sich die Band spätestens seit "Niente" in Richtung After-Work-Sektchen.

Endlich vollends im Pop angekommen, schämen sich Wanda nicht, ihr neues Album "Ende Nie" zu betiteln. Das ist eine Anspielung auf die Einstürzenden Neubauten, die ihre Abwendung vom industriellen Lärm, hin zu einem leichten leisen Säuseln 1996 "Ende Neu" nannten.

Man hört das gleich in den ersten Sekunden der Produktion. "Bei Niemand Anders", die Vorabveröffentlichung des Albums, eröffnet mit verhalltem Schlagzeug und Klavierakkorden, plüschige Streicher füllen den Raum. Das alles klingt sehr stark nach Mainstream-Radio-Ware an der Schmerzgrenze zum Deutschen Schlager: "Und wenn ein Sandsturm kommt / Breit' ich meine Arme aus vor dir / Wenn du nicht weiterweißt / Ruf' ich / an und wir geh'n spazieren / Und wenn du untergehst / Küss' ich dich und atme in dich rein / Ich will, dass du ewig lebst / Und bis dahin sollst du glücklich sein."

Inhaltlich macht Sänger Marco Fitzthum keine Geheimnisse um Sinn und Zweck der Lyrics. Er verarbeitet den Tod des 2022 verstorbenen Keyboarders Christian Hummer. Und vor allem den seines Vaters im folgenden Jahr. Man hört das auf mindestens vier Songs unhervohlen direkt. Auf "F*** Youtube" beispielsweise heißt es: "Ich kann den Song nicht hören / weil er mich erinnert / wie mein Papa krank war / an die hässliche Trennung / alles im selben Jahr". Auch in "Therapie", dem darauffolgenden Track, finden sich die gleichen Motive.

Ein Konzeptalbum also über Trennung und Verlust? Zumindest scheint der Antrieb hinter dem Songwriting doch sehr homogen zu sein. Genauso wie der mehr tastenlastige Sound sich durch fast alle zwölf Lieder zieht. Am besten funktioniert das in "Wachgeküsst", das mit Fender-Rhodes-Glöckchen doch recht sonnig dahindudelt.

"Jeder Kann Es Sein" klingt ein bisschen mehr nach den guten alten Zeiten, ist im Refrain mit hübschen, Harmonium-artigen Keys instrumentiert. Ein Hit für hinter den Bergen vielleicht? Marco röhrt sogar ein bisschen, es gibt sowas wie eine Hookline "Du hast Glück! ... Frag dich nicht!", fast wird das Auge feucht. Meistens aber, in diesen 39:16 Minuten, bleibt's trocken, bei aller beabsichtigten Persönlichkeit, aller unvermeidbaren Intimität in den Texten. Gleichförmig und glatt verkommen die einzelnen Songs zum eintönigen Material. Zebo Adam, Produzent von Bilderbuch, zeichnet verwantwortlich für zu viele verhallte Spuren, die rein dekorativ funktionieren. "Immer OK" ist ein gutes Beispiel, plätschert leblos dahin, trotz aufgeregter Zerrgitarrensoli.

Wanda sind in ihrer Westernhagen-Hallelujah-Phase angelangt. In ihrer Grönemeyer-Ö-Phase. In ihrer Rainhard-Fendrich-Blond-Phase. Eine Genese vom Säuferblues zum Arenarock zur Radiosendersentimentalität. Routiniert und Redundant kommt und geht ein Album. Kopf hoch: Jede Depression ist eine Chance.

Trackliste

  1. 1. Bei Niemand Anders
  2. 2. F*** Youtube
  3. 3. Therapie
  4. 4. Sie Steht Nicht Auf Dich
  5. 5. Keine Angst
  6. 6. Ich Hör Dir Zu
  7. 7. Wachgeküsst
  8. 8. Woher Soll Ich Wissen
  9. 9. Jeder Kann Es Sein
  10. 10. Kein Ende Nie
  11. 11. Immer OK
  12. 12. Niemand Was Schuldig

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