laut.de-Kritik
Laues Echo einer glorreichen Bandgeschichte.
Review von Ulf KubankeVon März 2013 bis Juni 2014 befanden sich Yes auf ihrer "Three Albums"-Tour. Die Gigs waren ein ambitioniertes Unterfangen mit ansprechender Grundidee: Bei allen Konzerten spielte man die drei Klassiker "The Yes Album" (1971), "Close To The Edge" (1972) und "Going for The One" (1977) am Stück. Mit "Like lt ls - Yes At The Bristol Hippodrome" dokumentieren sie das Unterfangen nun für Fans. Heraus kommt ein ambivalentes Live-Zeugnis, das alles will und zumindest ein wenig bietet.
Alle die hier Wert auf Vollständigkeit legen, werden nicht 100-prozentig zufrieden sein. Denn statt eine Komplettmitschnitts des Trios beschränkt sich die vorliegende Konserve auf zwei Drittel des Büffets und lässt ausgerechnet die Neuauflage der Wahnsinnsscheibe "Close To The Edge" weg. Was ist das nur für eine Veröffentlichungstaktik, die freiwillig und ohne Not das Highlight unterschlägt?
Die Yes-Welt hat sich schon seit längerer Zeit weiter gedreht. Anderson, Bruford und Wakeman stehen nicht mehr zur Verfügung. Die verbliebenen Kernmitglieder Howe, Squire und White machen aus der Not seit drei Jahren eine Tugend und laden sich Howes Asia-Kumpel Geoff Downes ("Drama" 1980, "Fly From Here", Heaven & Earth") plus den neuen Sänger Jon Davison ins schwankende Boot.
Erfordert ein solches Projekt vor allem Mut oder zeigt es den schnöden Sieg nimmersatter Gier über die eigene Legende? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Antwort ist einfach: Sofern es klappt, macht es Sinn. Geht alles nach hinten los, degradiert man sich zur eigenen Tribute-Kapelle.
Queen haben auf diesem Pfad bereits einen Großteil ihrer Reputation eingebüßt. Marillion ziehen sich mit Steve Hogarth seit Jahrzehnten recht gut aus der Affäre. Und die Kollegen von Genesis versenken mit dem grausigen Ray Wilson-Missverständnis um ein Haar das eigene Lebenswerk. Die einzig rundherum positive Ausnahme bildet immerhin Steve Hackett, der erst neulich mit dem herausragenden Sänger Nad Sylvan die alten Klopper hochwertig auf der Bühne variierte ("Genesis Revisited: Live at Hammersmith").
Bei den Rumpf-Yes mit Davison ist die Live-Darbietung wenigstens keine komplette Enttäuschung, und Jon Part II hat mehr Spirit zu bieten als etwa Wilson. Dem übermächtigen Schatten des charismatischen Artrock-Magiers kann er jedoch nicht eine Sekunde lang Paroli bieten. Vor allem wenn man sich noch einmal die großartige Leistung ihres ehemaligen Zeremonienmeisters auf der grandios Funken sprühenden "Keys To Ascension" vergegenwärtigt, ist der hier kredenzte Kaffee alles andere als heiß.
Dennoch gerät die Vorstellung nicht zum totalen Fiasko. Das liegt ausschließlich am musikalisch hochwertigen Material der beiden Alben und den instrumentalen Parts. Das energetische und kompositorisch von Anderson dominierte "Going For The One" geht in der öffentlichen Wahrnehmung zu Unrecht ein wenig unter, obgleich es beim Erscheinen die UK-Charts toppte und in den Staaten Top Ten war. Das von Squire geschriebene Herzstück "Parallels" ist ein Schmankerl für den Art- und Progfreund.
Mit Davison am Mikro geht das Ganze leider in Richtung eines eher müden Plagiats. Mehr Streichholz als Explosion. Bei den Tracks vom "Yes Album" wird es vorübergehend etwas besser ("Yours Is No Disgrace"). Doch auch beim Kultsong "Starship Trooper" fällt dem blutarmen, on Stage immer leicht verloren wirkenden Sänger nicht viel mehr ein, als einfach nur die stimmliche Kastratenkarte zu spielen. Wenn Jon Anderson die Show vor dem heimischen Bildschirm sieht, muss er Lachkrämpfe ob der zur Schau gestellten Biederkeit bekommen.
Somit kann man diesen Neuaufguss wirklich nur beinharten Fans empfehlen, die schon alles haben und für jedes laue Echo der glorreichen Bandgeschichte dankbar sind. Alle anderen sollten weiterhin zu den Originalalben greifen und sich als Live-Erlebnis die genannte "Keys Of Ascension" geben.
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