laut.de-Kritik
Knallbunter Orient trifft lässigen Progrock.
Review von Ulf KubankeMetal- und Progheads kennen Yossi Sassi als ehemals tonangebende Kraft von Orphaned Land. Seine Soloplatten klingen nicht minder bemerkenswert. Das vorliegende vierte Album "Illusion Of Choice" geht als zumindest vorläufiger kreativer Höhepunkt durch. Knallbunter Orient trifft lässigen Progrock im Zeichen von Frieden und Völkerverständigung.
Selten stimmte die Bezeichnung 'Saitenhexer' so sehr wie bei Sassi. Der sympathische Israeli bietet ein ganzes Terrarium verschiedenster Chordophone auf. Aus ihrem Vielklang erhebt sich ein farbenfroher Tempel des Zupfens. Seiner atmosphärisch flirrenden Exotik kann man sich kaum entziehen.
17 Saiteninstrumente beherrscht Sassi. Im Verlauf dieser neun Lieder mischt er akustische wie elektrische Gitarren. Dazu Saz, Bouzouki, Oud, Charango und Mandoline. Gemäß seinen griechischen Wurzeln, die konstant mit dem Rocker in ihm ringen, bleibt das Herz gleichwohl die vor Jahren von ihm konstruierte Bouzoukitara. Letztere ist ein halb akustisches, halb elektrisches Ungetüm mit zwei Hälsen und zwei Klangkörpern. Diese Erfindung ermöglicht es ihm, simultan den wilden Haudegen wie den filigranen Folk-Schöngeist zu zelebrieren. Zur Abrundung des Volumens steuert Gitarrist Ben Azar noch eine kaum weniger ungewöhnliche 7-String-Gitarre bei und streut ab und zu E-Gitarrensoli ein.
Die Arrangements der einzelnen Stücke hält Sassi sensitiv. Es ist sogar massig Klangraum für Percussion, Flöte, Cello, Violine oder gelegentliche Vocals. Sassi empfindet das Komponieren als rein intuitiven Akt. Entsprechend hoch ist der Anteil blumiger Emotion plus eingängiger Melodien.
Drei Songs stechen heraus. "Maktoob" entpuppt sich als Klang gewordener Negev. So heiß wie Körner eines Sandsturms, dabei so erfrischend wie eine Oase. Kurz darauf erscheint die ohnehin umwerfende Ester Rada als Gastsängerich auf "Choice". Rada, die sich vom äthiopischen Flüchtlingsmädchen zur israelischen Jazz- und Soul-Queen mauserte, verkörpert den ruhenden Pol. Im ebenso balladesken wie rhythmischen Finale "The Syncopating Heart" holt Sassi alles Hymnische aus sich heraus, für das er bei Orphaned Land zuständig war. Abhotten wie Salome? Here we go!
Jenseits der rein künstlerischen Qualität stellt Sassi das Album - wie ohnehin sein gesamtes Werk - in den Dienst des Friedensprozesses. Nicht umsonst kann er neben den israelischen Fans auf zahlreiche arabisch-muslimische Hörer bauen.
Sassi glaubt, "dass die gegenwärtige Situation des Konflikts im Nahen Osten sehr wenigen Menschen Machtpositionen ermöglicht, während viele unter Unsicherheit und Zweifel an ihrer Zukunft leiden. Menschen sind Menschen, sie alle wollen ein einfaches Leben führen, zur Arbeit gehen, andere respektieren, respektiert werden und zum Abendessen zu ihren Lieben zurückkehren. Das ist die grundlegende Wahrheit für die ich kämpfe."
2 Kommentare
zu dem Zitat am Ende. Natürlich ist es so. Nicht nur dort, sondern weltweit. Von den geschürten Konflikten und Kriegen profitieren immer wenige, während das Leid dann vielen zu Teil wird. Darum ist es bei einem Beitrag in den Medien wichtig zwei wichtige Fragen zu stellen: Qui Bono/Wer profitiert davon, wenn es so läuft? UND: Follow the Money/wer bezahlt?
Die Snare wurde in manchen Situationen stark in den Vordergrund gemischt und klingt dann sehr hohl- fast so Kacke wie bei der Metallica - St Anger.