laut.de-Kritik
Abrissbirne für reizüberflutete Hörgewohnheiten.
Review von Ulf KubankeDass die Gods im Herzen immer schon eine echte Rockband waren, stellt für viele ihrer Freunde sicherlich keine große Überraschung dar. Zum Ende der ersten Dekade des neuen Jahrtausends outen sie sich lässig als psychedelische Gentlemen-Hippies mit mit einem Schatz voll sirrender Schwärme, hallender Echos und einer frech bratzenden fuzzy Guitar.
Zusammen mit den schwelgerischen Melodien und Harmonien entspinnt sich ein audiophiler Teppich im Resonanzraum des Lauschenden. Wobei das geflügelte und leider inflationär verwendete Wort vom Klangteppich hier nicht ausreicht. Der atmosphärische Sound wird dermaßen vielschichtig und detailfreudig in Szene gesetzt, dass man getrost von einem edel geknüpften Gobelin sprechen darf.
Doch so ansprechend und künstlerisch die Musik geraten ist: Sie birgt in Zeiten des flüchtigen Wegwerfkonsums ein nicht geringes Risiko. Die Songs verlangen sowohl einzeln wie als Zyklus die wiederholt totale Aufmerksamkeit und Aufnahmebereitschaft der Hörer. All zu flüchtiges Reinhören führt unter Garantie zu Achselzucken und gepflegter Langeweile. Wie groß ist ein Publikumskreis wohl heutzutage, der solchen Anforderungen genügt?
Dreh- und Angelpunkt für den LSD-bunten Kosmos bildet dabei immer wieder der ebenso emphatische wie charismatische Gesang Franz Treichlers. Die meist dunkle, stets mit einem Hauch Spannung oder Dramatik
angereicherte Stimme verhehlt nicht eine gewisse theatralische Nähe zu Jim Morrison - und versucht es gar nicht erst.
Ganz nach Belieben steuert Treichler unmerklich das gesamte Soundbiotop. Auf "Tenter Le Grillage" forciert er das Ganze bis zu einer regelrecht Benzin-getränkten aggressiven Sanges-Animation. Auch "No Land's Man" entpuppt sich als weit mehr denn ein gelungenes Wortspiel. Eine Art Stoner-"Born To Be Wild" als Abrissbirne für die reizüberfluteten Hörgewohnheiten.
Bis auf den einen oder anderen rudimentären Industrial-Schnipsel bleiben die restlichen Tracks komplett der trippigen Atmosphäre treu. Einzelne Songs dabei heraus zu greifen, widerspräche dem mantrischen Charakter der CD.
Als Anspieltipp seien hier dennoch "Introducing" mit seiner smarten Gitarre und das bunt flackernde Augenzwinkern "Blooming" empfohlen. Am Ende ist es eine dieser ganz besonderen Schallplatten geworden, die mit ihrem Klangfarbenfrohsinn in jeder Jahreszeit perfekt funktioniert, sei es in einer Schneewüste oder auf der Sommerwiese.
3 Kommentare
Schön, dass ihr die Gods am Ende doch noch auf dem Schirm hattet! Und unter des Anwalts Feder ist, neben der erfreulichen Bewertung, auch eine schön zu lesende Review entstanden, wie gewohnt. Insgesamt ein ungewohnt stilsicherer Start ins neue laut-Jahr
dies ist mein erstes young gods album. mir kommt alles nach dem ersten hören recht zahm vor und ich hatte ein wenig mehr rock erwarten - wenn auch nicht ministry artigen industrial.
mich hat auch ein wenig gewundert, dass "second nature" drei punkte bekommen hat, da mir von freunden gerade second nature empfohlen wurde als das young gods album. ist natürlich ein anderer rezensent gewesen, aber ist der sound vergleichbar mit "everybody knows"?
Da der aktuellen Output durchaus im Lichte einer gediegenen Altersmilde gesehen werden kann, würde ich dem aufgeschlossenen Young-Gods-Novizen unbedingt die älteren Werke "Only Heaven" und "TV Sky" ans Herz legen, dann stimmt's auch mit den Industrial-Ambitionen.