laut.de-Kritik

Die Texaner waten knietief im Blues.

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Ganz nüchtern betrachtet, ist "Raw" auch nur eine weitere Compilation in der an Compilations nicht armen Diskografie der Texaner. Im Zuge der Produktion der Dokumentation "That Little Ol' Band From Texas" spielte das Trio diese zwölf Songs live ein.

Aber was ins Auge sticht: Hier findet sich kein einziger Song der Post-"Eliminator"-Ära. Und von selbigem Album auch nur "Legs" und "Gimme All Your Lovin'". Warum bei der Auswahl der gutgekleidete scharfe Mann unberücksichtigt blieb? Der zieht von der Coolness her den beiden anderen locker die Hosen aus.

Wie dem auch sei, der Rest der Playlist wildert in der Frühphase ZZ Tops herum, dass es Blues-Liebhabern die Freudentränen in die Augen treibt. Das fängt schon beim Opener "Brown Sugar" an, wo Billy einmal mehr demonstrativ zeigt, wo der Vollbart-Zausel den Blues-Most herholt. Der Sound der Scheibe ist von Gibbons zwar not very produced, aber wer bei dem räudigen Songmaterial Hochglanz erwartet, darf getrost die vergoldeten Stecker seiner Hi End-Anlage mit geweihtem Wasser aus Lourdes besprühen.

Gibbons, Hill und Beard ziehen als jahrzehntelang eingespieltes Power-Trio eine schöne Wall of Sound hoch. Gitarre, Bass, Schlagzeug, fertig. Mehr braucht es auch nicht, um die Studio-Tracks mehr als nur adäquat in die Live-Version zu überführen.

Das dreckige hier versammelte Dutzend kann man - tragischerweise - auch als Hommage an den verstorbenen Bassisten Dusty Hill verstehen. Gibbons und Beard machen auf ausdrücklichen Wunsch Hills mit dessen Gitarren-Techniker Elwood Francis weiter. Jener hat sich mittlerweile auch einen Vollbart stehen lassen, um wohl ja nicht in den Verdacht zu kommen, die Herren würden sich von Gilette oder Konsorten sponsorn lassen.

Was das alte Zeug auch zeigt: Im Gegensatz zu neueren Veröffentlichungen bietet Dusty mit seiner deutlich helleren und jugendlicheren Stimme öfter dem Brummbär Gibbons Paroli. Speziell der Zweiergesang von "Thunderbird" klingt wirkich klasse. Improvisationen hört man hier natürlich nicht, nur leichte Variationen. So ufert "La Grange" in seiner Gniedeligkeit etwas aus, wohingegen der "Blue Jean Blues" leider etwas eingedampft wurde.

Von ihrem Alltime-Klassiker "Tres Hombres" landet lediglich "La Grange" in der Setlist, was dann doch etwas überrascht. Aber es spricht für ihren hervorragenden Fundus an Songs von ZZ Top, dass das beim Hörgenuss zwar auf, aber nicht weiter ins Gewicht fällt. "Raw" macht seinem Titel alle Ehren und hält die Erinnerung an den verschiedenen Dusty Hill in Ehren. Möge im Himmel immer ein Viersaiter und eine Sonnenbrille für ihn bereitstehen.

Trackliste

  1. 1. Brown Sugar
  2. 2. Just Got Paid
  3. 3. Heard It On The X
  4. 4. La Grange
  5. 5. Tush
  6. 6. Thunderbird
  7. 7. I'm Bad, I'm Nationwide
  8. 8. Legs
  9. 9. Gimme All Your Lovin'
  10. 10. Blue Jean Blues
  11. 11. Certified Blues
  12. 12. Tube Snake Boogie

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